Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Ameisen

Ameisen

Kapitel in: Ameisen

Pausenlos wird umgebaut

Zu den faszinierendsten Phänomenen der freien Natur gehören die sozialen Tierstaaten: wohlregulierte Formen des Zusammenlebens, die wir nicht etwa bei den sonst so differenzierten Wirbeltieren finden, sondern bei den Insekten. Und auch bei denen sind es nur die Termiten und die Wespen, Bienen und Ameisen, welche Staaten bilden Ameisen

Ameise
Transport zur Verpflegung: sogar Gehäuseschnecken werden weggeschleppt.

Nur bei Bienen, Wespen, Ameisen und Termiten ist es im Lauf der Evolution - aber unabhängig voneinander - zum Aufbau komplexer Strukturen im sozialen Zusammenleben gekommen. Ausdruck dieses erstaunlichen Geschehens sind zum Beispiel die exakten Konstruktionen der Waben der Honigbiene oder, nicht minder verblüffend, die präzise festgelegten Funktionsabläufe in einem Ameisenhaufen.

Nicht alle Insekten, die in größeren Gruppen zusammenleben, sind tatsächlich sozial lebende Tiere. Viele von ihnen, zum Beispiel Fliegen oder Schmetterlinge, versammeln sich auf einer Blüte, weil sie von Farbe, Duftstoff oder Nektar angezogen werden. Andere sitzen beisammen, weil sie just an dieser Stelle zur Welt kamen - wie etwa die Blattläuse - oder weil sie an einem bestimmten Platz überwintern wie die Marienkäfer. Eine gezielte Kontaktaufnahme oder gar eine Kooperation zwischen den Tieren besteht kaum.

Doch das Zusammenfinden einzelner Mücken zu großen Schwärmen geschieht nicht zufällig. Bestimmte Duftstoffe, hauptsächlich aber akustische und optische Signale sind verantwortlich für das Zusammentreffen der Geschlechter. Auch bei den großen Heuschreckenschwärmen nehmen die Beteiligten in irgendeiner Form Notiz voneinander; enger Körperkontakt und Berührungsreize stimulieren die Tiere zu gezieltem Handeln. Anders wären die gemeinsamen Wanderungen der Heuschrecken nicht möglich. Die Mücken und Heuschrecken beeinflussen sich gegenseitig - das heißt, in gewissem Sinne könnte man von einer sehr einfachen Form sozialen Zusammenlebens sprechen.

Stammesgeschichtlich sind aber die Insektenstaaten sicher nicht aus solchen Schwärmen hervorgegangen. Vielmehr handelt es sich bei diesen »Staaten« genaugenommen um Familiengruppen - oft zusammengesetzt aus so vielen Mitgliedern, dass man die Grundstruktur kaum noch erkennen kann. Dennoch lässt sich generell sagen, dass die gewaltigen Staaten der Ameisen oder Wespen aus einem einzigen Muttertier und seiner zahlreichen-Nachkommenschaft bestehen. Was uns Menschen an dieser Form des Zusammenlebens so fasziniert, ja was uns fast gespenstisch vorkommen will, ist die perfektionierte Arbeitsteilung und Arbeitsfolge, die wir bei vielen Arten beobachten können. Hierin liegt auch der grundlegende Unterschied, der die Staaten der Insekten abhebt von den Sozialstrukturen etwa der Säugetiere.

Betrachtet man die Ameise aus biologischer Sicht, so ist sie noch eher ein Gemeinschaftswesen als der Mensch. Zum Menschenstaat gehört die individuelle Freiheit der Person; nicht das Volk, nicht der Staat ist die biologische Einheit, welche die Existenz dieses Sozialverbands bedingt, sondern die einzelne Familie. Dagegen ist der gesamte Ameisenstaat eine einzige biologische Einheit, von der jedes Einzeltier zwangsläufig abhängig ist.

Keine Ameise vermag für sich allein zu existieren. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass Menschen- und Insektenstaaten immer wieder aufs absonderlichste miteinander verglichen worden sind - in Schwärmereien, die nicht nur Arbeitsamkeit und Nützlichkeit, sondern auch das bedingungslose Funktionieren eines Ameisenstaates glorifizierten, ja, es am liebsten übertragen sehen wollten auf die menschliche Gesellschaft.

Waldameise
Eine Waldameise transportiert Holz ins Nest.

Nun sind sie ja wirklich arbeitsam und nützlich - vor allem die Roten Waldameisen in unseren Wäldern. Ja, ihr Nutzen ist sogar derart gewaltig, dass man sie in ganzen Völkerschaften ins Ausland exportiert, bis nach Kanada und Südkorea, wo sie dann nach ihrer Neuansiedlung in den Wäldern »Ordnung schaffen«. Denn solch ein Ameisenvolk jagt täglich Zigtausende von Insekten, darunter viele, die den Wald schädigen.

Wie Ameisenhügel aussehen, weiß jeder, der mit offenen Augen durch den Wald geht. Es sind erstaunliche Bauten - oft mehr als einen Meter hoch und von bis zu einer Million Tieren bewohnt. Dabei ist der Teil der Ameisensiedlung, der aufgehäuft über dem Boden sichtbar ist, längst nicht alles: der größte Teil liegt unter der Erde verborgen. Da gibt es Gänge, Kammern, Vorratslager und Kinderkrippen, Arbeitersiedlungen und königliche Gemächer - in denen allerdings kein König residiert, sondern eine Königin. Die wird von ihrem Volk bedient und beschützt und hat nur eine einzige Aufgabe: dafür zu sorgen, dass ihr Volk sich vermehrt.

Wie solch ein Ameisenhaufen innen aussieht, zeigt die Skizze unten ziemlich naturgetreu - nur mit der Einschränkung selbstverständlich, dass die Größenverhältnisse nicht stimmen. Eine Rote Waldameise ist fünf bis neun Millimeter lang, ein Ameisenhaufen einen Meter hoch. Das lässt sich hier nicht maßstabgerecht darstellen; die Gänge und Kammern der Tiere und diese selbst würden so winzig, dass nichts mehr zu erkennen wäre. Auf menschliche Verhältnisse umgedacht: stellen Sie sich vor, es würden Tausende von Arbeitern aus erlesensten Materialien einen Kuppelbau errichten, so hoch, dass selbst der Kölner Dom darunter verschwände - dann haben Sie etwa einen Begriff, wie groß der sichtbare Teil eines Ameisenhaufens ist, verglichen mit der einzelnen Ameise. Die Abmessung könnte genügen, die Bevölkerung eines ganzen Stadtviertels darin unterzubringen - wobei unterirdisch ja noch weit mehr angelegt ist. Erstaunlich ist, dass diese Riesenwohnanlage pausenlos umgebaut wird. Vor allem die äußere Hülle des Hügels, die aus Zweigstücken oder Tannennadeln besteht, wird immer wieder verändert. Das Unterste kommt zuoberst - ununterbrochen. Wissenschaftler haben Ameisenhaufen mit Farbmarkierungen versehen: Die farbigen Stückchen waren alsbald verschwunden - aber nach einigen Wochen kamen sie wieder ans Licht. Diese ständige Umschichtung bewahrt die Hülle des Ameisenhaufens davor, zu faulen oder sonst irgendwie zu verderben.

Und nicht nur das. Beständig werden die vielen Eingänge in der Kuppel des Hügels geschlossen und wieder geöffnet - je nachdem, wie Außentemperatur, Sonneneinstrahlung und Wind es verlangen. Ist es in der Ameisenstadt zu warm, so werden die Ausgänge geöffnet, damit Durchzug entsteht. Wird es zu kalt, so schließen die Ameisen ihre Pforten. Und scheint die Sonne, so kommen sie aus ihrem Bau und lassen sich bestrahlen, bis ihre kleinen Körper durch und durch warm sind. Dann kriechen sie in den Bau und geben Wärme ab - ein lebendiges Heizsystem.

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