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Ergonomie

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Die Motorsägen wurden immer wieder verbessert

Bedenklich ist, dass die andauernde Einwirkung hoher Schwingungen auf Hände und Arme zur sogenannten Weißfingerkrankheit führen kann, einer Durchblutungsstörung. Wie aber sollten die Vibrationen, welche der Einzylindermotor und die umlaufende Sägekette verursachen, zu vermeiden sein? Die damals größte Motorsägenfabrik der Welt (die wider Erwarten nicht in den USA, sondern im württembergischen Remstal liegt) sicherte sich in den sechziger Jahren einen Konkurrenzvorsprung, indem sie ein »Antivibrationssystem« entwickelte, das Hände und Arme der Forstarbeiter weitgehend schont. Dass dieses geniale System lediglich aus exakt berechneten Gummipuffern besteht, tut der Wirkung keinen Abbruch. Wald

Wieviel die Beachtung ergonomischer Prinzipien bewirken kann, zeigt sich am deutlichsten, wenn man das Verhältnis von Gewicht und Leistung der Motorsägen ins Auge fasst. In den fünfziger Jahren leistete ein Gerät, das elf oder zwölf Kilo wog, dreieinhalb PS. Heute kommt man mit Sägen, die nur noch die Hälfte wiegen, auf eine Leistung von vier PS. Das ist ein respektabler Fortschritt, denn je schwerer ein Werkzeug ist, desto rascher sind wir ermüdet. Eines der wichtigsten Entwicklungsziele im Motorsägenbau ist deshalb, das Gewicht der Säge bei hoher Leistung gering zu halten. Auslöser dieser Entwicklung war freilich nicht das Verlangen, den Arbeitskomfort zu verbessern, sondern die Leistung; aber das Ergebnis, das so zustande kam, hatte durchaus ergonomischen Charakter.

Längst kommen andere Faktoren hinzu: die Gestaltung der Handgriffe und die Form der Gehäuse, die Gewichtsverteilung innerhalb des Gerätes und die Anordnung der Bedienungsschalter. Arbeitskomfort spielt eine ständig bedeutsamer werdende Rolle, und so wird für ergonomische Studien inzwischen viel Geld ausgegeben. Gelegentlich können Sie beim Spaziergang in den Wäldern Szenen erleben, wie wir sie hier auf Bildern festgehalten haben: Forstarbeiter sind durch zahlreiche Kabel mit empfindlichen Messgeräten verbunden. Während sie arbeiten, werden Blutdruck und Pulsfrequenz, Muskelkontraktionen und Hauttemperatur gemessen. Die Arbeitsabläufe werden gefilmt. Gleichzeitig misst man an mehreren Stellen die Geräusche, die von der Maschine ausgehen. So ergibt sich, alles in allem, ein wissenschaftlich fundiertes Bild der Leistung und der Belastung, die bei moderner mechanisierter Forstarbeit auftreten.

Aus dem Verhalten der Motorsägenführer während der Arbeit lassen sich Schlüsse ziehen auf Zweck- oder Unzweckmäßigkeit der Geräte sowie der individuellen Arbeitstechnik. Dabei geht es beispielsweise um die Stellung der Hände und Arme während des Fällens und Entastens. Ist es physiologisch richtig, die Motorsäge so zu halten - oder wäre ein anderer Griff vielleicht zweckmäßiger? Wie weit muss der Arm verdreht werden, wie stark wird die Hand belastet?

Um alle diese Einzelheiten - oft handelt es sich um minimale Bewegungen - exakt auf dem Film festzuhalten, werden die Forstarbeiter mit Klebestreifen geschmückt. So wird bereits die kleinste Verdrehung des Arms in der filmischen Vergrößerung deutlich und messbar. Auch die Motorsägen bekommen solche Klebestreifen. Man erkennt dann, wie sie gedreht und verkantet werden.

Ein Teil der Daten, die auf diese Weise gewonnen werden, bringt die Motorspezialisten zum Rechnen, denen an Leistungssteigerung und Gewichtsverminderung gelegen ist. Ein anderer beschäftigt die Konstrukteure von Auspuff- und Ansauggeräuschdämpfern. Ein überraschend großer Teil aber interessiert die Designer.

Das herkömmliche Bild eines Designers zeigt einen Schöngeist, der sich bemüht, Gegenstände des täglichen Gebrauchs möglichst hübsch zu entwerfen. Der moderne Industriedesigner ist jedoch weithin ergonomisch tätig. Er sorgt beispielsweise dafür, dass die Gehäuse von Motorsägen so beschaffen sind, dass möglichst schnell und bequem gearbeitet werden kann; oder dass die Maschine beim Entasten der Stämme elegant über das Holz gleitet. Die äußere Gestaltung der Maschine mit runden Konturen und glatten Flächen hat in der Tat wesentlichen Einfluss auf die Belastung des Motorsägenführers.

Ästhetisch Erfreuliches zeigte sich in den letzen Jahren: Eine Maschine, die im Sinn der Ergonomie ein gutes Design bekam, sah stets auch gefällig aus und wirkte angenehm.

Es gab eine Zeit, in der Menschen, meist aus finanziellen Überlegungen, in allen ergonomischen Bestrebungen etwas Lästiges sahen. Sie wollten mehr Leistung und höhere Produktivität; komfortablere Maschinen sahen sie als leistungsmindernd an. Doch die neuesten wirtschaftlichen Erkenntnisse sprechen auch wirtschaftlich für die Ergonomie: Bequemere, handlichere, komfortablere Geräte steigern, weil sie weniger Mühe machen, auch die Arbeitsleistung.

Und so ist es inzwischen ein Anliegen der Ergonomie, auch bei der Untersuchung von Forstgeräten die Arbeit nicht nur menschenwürdiger zu machen, sondern gleichzeitig die Arbeitsproduktivität zu erhöhen und Unfallrisiken herabzusetzen.


Ein wichtiger Faktor bei Motorsägen ist der Lärmpegel. Deswegen werden aufwendige Messungen vorgenommen (ganz oben). Der Mann an der Säge betrachtet unterdessen immer wieder den Drehzahlmesser (das rechteckige Gerät auf dem Stativ), um möglichst gleichmäßig zu sägen. An seinem Helm, in der Nähe der Ohren, ist eines der Mikrophone für die Geräuschmessung angebracht. Im Messwagen steht neben vielen Anzeige-Geräten auch ein Bildschirm, der die Zusammensetzung der Geräuschfrequenzen sichtbar macht; sie entscheidet mit über die Erträglichkeit der Geräusche. Häufig werden diese Untersuchungen, wie auf dem Bild darunter beim Entasten eines Stammes, auch gefilmt.


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