Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Forstwirtschaft

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Mischwälder haben die besseren Chancen

In der Regel gibt man, bei der Anlage von Kulturen, naturnahen Mischwäldern den Vorzug. Sie sind gesünder und stabiler als Reinbestände; Frost, Schnee und Sturm können ihnen weniger anhaben als reinen Nadelwäldern. Auch gegen Schäden durch Insekten haben Mischwälder die größeren Chancen. Außerdem erfüllen sie besser die Schutz- und Erholungsfunktionen, die der Wald heute hat. Moderne Forstwirtschaft

Mit solchen wissenschaftlich-planerischen Arbeiten sehen sich die Forstleute heute beschäftigt. Die aber wären längst sinnlos geworden, wenn man im Forst noch mit Axt und Handsäge arbeiten müsste. Die Löhne für diese Art von Arbeit wären auch aus dem bestgepflegten Wald nicht mehr herauszuwirtschaften. Forstwirtschaft beruht heute fast ausschließlich auf Maschinenarbeit, auch wenn das gar nicht romantisch ist und Motorsägen sowie Traktoren die vielbesungene Waldesstille teilweise empfindlich stören. Nur moderne Geräte machen es heute noch möglich, wissenschaftliche Forstplanung in die Praxis umzusetzen. So hat sich in den letzten Jahren die Holzproduktion - bezogen auf den einzelnen Arbeiter - um ein Vielfaches erhöht, was für einen geordneten Fortbestand der Wälder unerlässlich war.

Als sich vor drei Jahrzehnten die Überzeugung durchzusetzen begann, dass nur eine immer stärkere Mechanisierung im Forst die Waldarbeit innerhalb der Grenzen der Wirtschaftlichkeit halten könne, wurde sogar erwogen, Holzerntemaschinen einzusetzen: mächtige Fällgeräte, eine Kreuzung zwischen Kranwagen und Riesenschere. Die Versuche verliefen in Mitteleuropa nur in wenigen Fällen günstig; die Nachteile - vor allem die ökologischen-überwiegen. Diese großen, schweren Maschinen sind nur aufs mechanische Bäumefällen und den Abtransport eingerichtet; auf den Rest der Natur nehmen sie keine Rücksicht. Außerdem sind unsere Wälder zu unterschiedlich, die Geländeverhältnisse oft zu ungünstig und die Besitzverhältnisse zu vielfältig, als dass man diese Maschinen richtig nutzen könnte. Wirklich rentabel sind sie nur bei Kahlschlägen; in Skandinavien und Kanada, wo häufig noch quadratkilometergroße Wälder abgeholzt werden, benutzt man diese Fällgeräte öfter.

Eine kleine, sympathische Arabeske: In vielen Wäldern hatten beim »Rücken« der gefällten Stämme - dabei zieht man das Holz an Ketten, über den Boden gleitend, aus dem Wald - Traktoren die Pferde verdrängt. Jetzt verdrängen in manchen Forsten die Pferde wieder die Traktoren: die Tiere sind aufmerksam und richten weniger Schaden an.

KulturfrauDie Rückseite der alten 50-Pfennig-Stücke zierte ein bekanntes Symbol: eine »Kulturfrau«, die ein Eichenbäumchen pflanzt. Der Künstler Richard Werner wollte damit 1948 den Wiederaufbau Deutschlands symbolisieren.

Die kleinen Maschinen jedoch haben sich in unseren Wäldern sehr bewährt: Motorsägen zum Fällen, zum Entasten und zum Ablängen (zum In-Stücke-Schneiden) der Bäume. Auch Motorsensen oder Freischneider benutzt man heute viel: Geräte, bei denen am Ende eines Rohres dicht überm Boden ein Schlagmesser rotiert. Man braucht sie vor allem bei der Jungwuchspflege. Waldbäume, die man aus Samen zieht, werden kaum anders behandelt als Gärtnereipflanzen: man sät sie, lässt sie keimen und versetzt sie dann an ihren endgültigen Standort. Das Verpflanzen und die Pflege übernahmen früher meist (und übernehmen oft noch heute) die sogenannten Kulturfrauen, weil sie am billigsten arbeiteten. Auf den alten Fünfzig-Pfennig-Münzen war eine dieser Damen abgebildet; für jenen Stundenlohn machen sie es heute allerdings auch nicht mehr.

Ein Problem ist, dass Gräser und Kräuter in den Neupflanzungen schneller wachsen als die kleinen Bäume, die alsbald überwuchert würden, wenn man nichts dagegen täte. Die Landwirtschaft hat vorgemacht, was man gegen die unerwünschten Gewächse tun kann: sie hat chemische Mittel eingesetzt. Abgesehen vom Wetter, ist die Natur im Wirtschaftsbereich der Landwirtschaft fast völlig beeinflussbar - und damit ist sie steuerbar und planbar geworden.

Die moderne Forstwirtschaft steht dieser Entwicklung skeptisch gegenüber. Nur übermäßiger Einsatz chemischer Stoffe bringt ein geringes Mehr an Nutzen - das gilt für das Regulieren des Pflanzenwuchses ebenso wie für die Bekämpfung von Schädlingen. Manche Schädlinge werden resistent, können also nur noch mit zusätzlichen und noch stärkeren Substanzen bekämpft werden. Auch andere Organismen sterben an der Chemie; deren Wirkung muss durch weitere Chemikalien ersetzt werden. Zu alledem wirken die Mittel nicht nur dort, wo sie eingesetzt werden: sie gelangen auch ins Grundwasser, was oft böse Folgen hat.

Andererseits scheint sich bei der Kulturenpflege in der Forstwirtschaft der Einsatz von Herbiziden - also von chemischen Mitteln zur Beseitigung von Gräsern und Kräutern - direkt anzubieten. Schließlich muss sich die Forstwirtschaft den marktwirtschaftlichen Regeln stellen und deshalb auf die Kosten sehen: Chemie ist verhältnismäßig billig. Die Forstleute, die alle Kosten verantworten müssen, die in einem nur teilweise rentablen Wald entstehen, sind da in keiner angenehmen Lage. Allerdings haben sie zunehmend mehr Argumente auf ihrer Seite, welche Vorsicht im Umgang mit der Chemie anraten lassen. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Wald mehr ist als die Summe seiner Bäume, mehr als nur in wirtschaftliches Objekt; er ist ein Bestandteil unserer Landschaft, der noch ein hohes Maß an Natürlichkeit aufweist: eine tausendfache Vielfalt an Pflanzen, Vögeln, Säugetieren, Insekten und Mikroorganismen, die in ihren Lebenskreisläufen eng verbunden und aufeinander angewiesen sind.

FreischneiderUm den Jungwuchs von Gras und Gestrüpp zu befreien, benutzt man heute Freischneider oder Motorsensen mit rotierenden Messern.

Chemische Mittel mit ihrem oft breiten und schwer erkennbaren Wirkungsspektrum zerstören diese Vielfalt. Herbizide, die man gegen Gras und Kraut einsetzt, entziehen einer Reihe von Tieren die Nahrungsgrundlage - oft mit der Folge, dass Rot- und Rehwild, statt Gras und Kräuter zu äsen, an die Forstpflanzen gehen. Damit verkehrt sich der Sinn der chemischen Behandlung jedoch ganz deutlich ins Gegenteil.

Vielen Forstleuten sind diese Zusammenhänge nicht nur bekannt - sie handeln auch danach! Man kann beispielsweise sicher sein, dass zum Befreien von Unkraut bei Jungpflanzungen nurmehr 10 Prozent der Flächen chemisch behandelt werden; 90 Prozent werden mechanisch von Gras und Kraut befreit - zum Teil mit jenen Motorsensen oder Freischneidern, von denen schon die Rede war. Die schädigen das Ökosystem nicht. Sie haben nur einen Nachteil: diese Geräte haben Motoren; sie sind laut und stören die romantische Stille des Waldes. Bei der Chemie ist das anders: man hört sie nicht beim Waldspaziergang. Das freilich mildert ihre negativen Auswirkungen auf das Ökosystem Wald nicht.


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