Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Jagd

Kapitel in: Jagd

Dem Jäger geht es wie dem Sammler

Parforcejagd
Aufbruch zur Parforce-Jagd um 1860 vor dem Berliner Jagdschloss Grunewald. Die ebenso beliebten wie grausamen Hetzjagden mit der Hundemeute sind bei uns seit 1936 verboten.

Tatsächlich lässt sich Jagd im Sinne des angestrebten Sowohl-Als-auch nur dort bewerkstelligen, wo sich entsprechende Jagdlust mobilisieren lässt. Wo sie vorhanden ist, wird sie tatsächlich in der von Anheuser skizzierten Weise eingesetzt. Zugleich wirkt sie in einem Kräfteparallelogramm mit, in dem weitere Kräfte wirksam werden: solche, die auf betriebs- und volkswirtschaftlichen Nutzen hinwirken, und andere, die den reinen Schutz der Natur und ihrer Geschöpfe zum Ziel haben. Jagd

Hier wird also - im Rahmen der vorgegebenen Wünsche der Allgemeinheit und der Befehle des Gesetzgebers - durch freies Kräftespiel versucht, immer neue Näherungslösungen für grundsätzlich nie perfekt lösbare Probleme zu finden. Dieses Tauziehen findet auch am offenen Markt und in den Medien statt. Der Jäger trägt dabei stets mehrere Gesichtspunkte vor - einmal die Notwendigkeit der Regulation des Wildbestandes, dann den Zweck der wirtschaftlichen Nutzung des Wilds, schließlich den wichtigen Schutz der Natur und ihrer Geschöpfe - und hinterlässt dadurch oft Verwirrung. Das Publikum versteht die Anliegen von Schutz einerseits und Nutzung andererseits durchaus; es sieht diese Anliegen auch durch die Sprecher der Schützer wie der Nutzer gut vertreten und hofft auf fruchtbare Kompromisse. Fragt sich nur, was bei alledem noch die Jäger sollen, die offenbar für Schutz und Nutzung und Regulierung gleichzeitig eintreten? Steckt dahinter nicht noch etwas, das von den anderen Gruppen nicht vertreten wird, etwas möglicherweise Entbehrliches, für den Schutz wie für die Nutzung vielleicht sogar Schädliches, ja, etwas Verdächtiges - die Jagdlust?

Vom Lustgewinn, den jedes jagende Geschöpf hat, wenn es die zur Jagd gehörenden Tätigkeiten ausübt, war schon die Rede.

Tatsächlich müssen etliche Voraussetzungen gegeben sein, um im Jäger die Jagdlust zu wecken. Von außen ist oft schwer zu erkennen, ob Jagdlust im Spiel ist, weil man es vielen Handlungen nicht ansehen kann, aus welcher Motivation sie vollzogen werden. Da mag einer einen Rehbock erschießen, um seine Junglärchen zu schützen, oder einen Marder fangen, damit der keine Hühner mehr fängt, oder an einer eleganten Fasanenjagd teilnehmen, um sich in erlesenem Kreis zu bewegen - alles ohne jeden jagdlichen Lustgewinn.

Andererseits mag das Lauern auf einen Fuchs, der den Hühnerhof des Bauern heimzusuchen pflegt, die Jagdlust aufs höchste befriedigen und vom eigentlichen Zweck kaum, von der Jagdlust aber um so mehr motiviert sein. Erschwert wird die Suche nach dem wirklichen Motiv des Jägers auch dadurch, dass er über seine Beweggründe unterschiedliche Angaben macht - je nachdem, mit wem er darüber spricht.

Ob und in welchem Maße der Jäger einen Lustgewinn erzielt, kann auch vom Beuteobjekt abhängen, wobei Traditionen eine Rolle spielen: Während der Jäger auf Kreta bei der dort traditionellen Starenjagd bestimmt einen Lustgewinn erfährt, mag das bei einem Jäger in Deutschland, der dahingehend erzogen wurde, dass man keine Stare schießt, völlig ausbleiben.

Normalerweise wird die Jagdlust erst dann voll erlebt, wenn das Repertoire der jagdlichen Handlungen möglichst vollständig ist: Das Herausfinden, Suchen, Lauern, das Überraschungsmoment und der dann geforderte Einsatz eigener Fähigkeiten gehören ebenso dazu wie das Inbesitznehmen und Weiterverwenden der Beute.

Hier geht es dem Jäger wie dem Sammler: Auch der passionierte Pilzsucher braucht das Drum und Dran zum vollen Genuss - das Wissen um gute Plätze oder die sichere Nase, um sie zu finden; das Suchen, die Enttäuschungen, endlich das Entdecken und Pflücken; den Geruch des frischen Pilzes, das Heimtragen und schließlich das Zubereiten und Essen. Wer einem Pilzsammler eine Freude machen wollte, indem er ihn zu einem Gartenbeet voll riesiger Steinpilze führt, hätte sich vergeblich angestrengt.

Eine noch wichtigere Rolle spielt also die Zahl der vorhandenen Tiere und ihre Fluchtbereitschaft. Je zahlreicher die Tiere auftreten und je leichter sie zu haben sind, desto schneller sinkt die Jagdlust. Nur wenn es sich um normalerweise seltene und schwer erlangbare Wildtiere handelt, die plötzlich und ausnahmsweise doch leicht und in großer Menge zu haben sind, mag die dadurch üblicherweise bewirkte Hemmung der Jagdlust verzögert einsetzen.

Dennoch: unter solchen Voraussetzungen braucht sich ein Jäger des uralten jagdlichen Instinkts und des mit der Jagd verbundenen Lustgewinns nicht zu schämen. Er kann durchaus für den Schutz und gleichzeitig auch für eine maßvolle Nutzung unserer Tierwelt eintreten.

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