Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Jagd

Kapitel in: Jagd

Freilebende Tiere folgen ihren Gesetzen - nicht unseren

Hirschhatz
Der französische Maler Gustave Courbet stellte das »Halali einer Hirschhatz im Winter« dar. Er stand im 19. Jahrhundert im Mittelpunkt eines neuen Realismus.

Die Jagdgesetzgebung definiert nicht nur, was als »Wild« zu verstehen ist; sie fasst auch die in der Allgemeinheit gültigen Vorstellungen in eine rechtlich bindende Zielsetzung, in welchen Arten und in welcher Menge diese Tiere vorhanden sein sollen. Als Beispiel sei das bundesdeutsche Jagdgesetz zitiert: Es verlangt, dass einerseits ein »möglichst artenreicher und gesunder Wildbestand« vorhanden sei, der aber andererseits so beschränkt werden müsse, dass er in der »Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft möglichst keine Schäden« anrichte. Beides soll mit Mitteln und Methoden erreicht werden, die den ethischen Ansprüchen der Gesellschaft Rechnung tragen. Jagd

Die Jagdgesetze verfolgen zudem sozio-ökonomische Ziele, wobei es teils darum geht, dem Bürger einen gerechten Anteil an der als »Ur-Recht« empfundenen jagdlichen Nutzung zu gewährleisten, teils aber auch darum, dem Staat als Inhaber des »Jagdreviers« sowie den Eigentümern des Bodens, auf dem das Wild lebt, ein zusätzliches Einkommen zu verschaffen.

Schon bei der Auswahl der Wildtiere, die gewünscht werden, gibt es Schwierigkeiten. Da gibt es welche, die man viel zu selten sieht, als dass man sie wirklich ins Herz schließen könnte. Andere erregen, statt lieb und putzig auszusehen, eher Angst und Abscheu.

Völlig vertrackt wird die Sache dadurch, dass die Wildtiere, in krassem Gegensatz zu den Wünschen der Allgemeinheit und dem Willen des Gesetzgebers, sich nicht gleichmäßig übers Land verteilen lassen. Schulen, Polizeistationen und UKW-Sender kann man so postieren, dass überall welche in der Nähe, aber nirgends zu viele sind; mit Wildtieren geht das leider nicht. Selbst wenn man meint, man habe eine günstige Verteilung erreicht, hält die mit Sicherheit nicht lange an. Freilebende Tiere folgen zwar sehr genau den herrschenden Gesetzen - aber eben ihren und nicht unseren.

Ihre Gesetze haben sich in ihren Lebensräumen entwickelt, als diese noch ganz ursprünglich waren. Und sie werden weiter so befolgt, als ob die Lebensräume sich nicht geändert hätten. Diese Gesetze gehen auch sehr großzügig mit Raum und Zeit um; ein paar hundert Quadratkilometer hier, ein paar hundert Jahre dort - das sind keine relevanten Größen.

Dazu sollten wir uns eine Wildschweinpopulation vorstellen - sagen wir: in der Pfalz, vor 5 000 Jahren. Wildschweinen geht es in so mildem Klima und so fruchtbaren Landstrichen gut; die Bachen können viele Frischlinge setzen und ernähren. Dass damals immer etliche von den Wölfen gefressen wurden, ab und zu auch von unseren Urahnen, konnte die Entwicklung nicht aufhalten. Über kurz oder lang wird die Pfalz voller Sauen gewesen sein. Niemand aber konnte von einer »Plage« reden - denn wen hätten die Wildschweine schon plagen können?

Dann aber - so stellen wir uns weiter vor - kommt eine Seuche, die fast die ganze Population hinwegrafft. In den folgenden Jahrzehnten sieht man in der ganzen Pfalz keine Sau mehr. Heute würden wir beklagen, dass die Sauen in der Pfalz ausgestorben seien, wir würden sie auf eine Rote Liste setzen. Damals? Es gab niemanden, der so gedacht hätte. In ein paar Dutzend, vielleicht auch erst in hundert Jahren hat sich in der Pfalz - durch Nachkommen weniger Überlebender, durch Zuwanderer aus anderen Gebieten - wieder eine Population aufgebaut, die immer stärker zunimmt. Und dasselbe (oder ein ähnliches) Spiel beginnt von neuem.

Der heutige Jäger darf solche natürlichen Entwicklungen nicht hinnehmen. Um den Erwartungen der Allgemeinheit und des Gesetzgebers gerecht zu werden, darf er es weder zu Wildschweinplagen noch zum zeitweiligen Aussterben der Sauen kommen lassen. Kurz: er ist gezwungen, ständig den natürlichen Ablauf der Populationsentwicklung zu manipulieren.

Ähnliches gilt für die Verteilung der Wildtiere in bestimmten Räumen. Von uns Menschen selbst kennen wir das Spannungsfeld zwischen der Vorliebe , in der gewohnten und vertrauten Umgebung sesshaft zu bleiben, und dem Drang in die Ferne. Dieser Zwiespalt ist bei vielen anderen Geschöpfen ebenso vorhanden; er lässt sich als Strategie der Natur zur Arterhaltung deuten: Einerseits soll die Art in einem optimalen Biotop erhalten bleiben; andererseits empfehlen sich wegen möglicher Änderungen der Lebensbedingungen neue Versuche, andere, nicht ganz so optimale Biotope zu besiedeln. Da solche Experimente mit großen Verlusten verbunden sind, werden meist die für die Erhaltung der Art entbehrlichsten Individuen auf Wanderschaft geschickt, während der Kern der Population die Heimatregion dicht besiedelt.

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