Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Waldbauern

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Der Familienwald als Kunstwerk


Ein Plenterwald kann beinahe ewig leben. Denn nur die älteren Bäume werden geschlagen, aber die jüngeren Generationen wachsen schon längst nach. Anders als in den gleichförmigen Kunstforsten sind im Plenterwald alle Entwicklungsstufen gleichzeitig anzutreffen, deshalb ist hier ein Kahlschlag auch nie sinnvoll. Für Plenterwälder ist auch ganz typisch, dass sie sehr verschiedenartig aufgebaut sein können. Ob Laub- oder Nadelwald überwiegt, das richtet sich ganz nach dem Standort - soweit der Mensch nicht verändernd eingreift. Waldbauern

Die Waldpflege ist mehr als ein Handwerk, sie ist eine Gabe. Solch ein Waldgärtner muss Künstler und Rechner sein, er muss auf ein halbes Jahrhundert vorauskalkulieren und das Lebewesen Wald im Geist sich weiter entwickeln sehen. Der Vater Stratz hatte das seinem Buben und heutigen Nachfolger ganz einfach erklärt: »Kerle, mach' die Augen auf, wenn du durch den Wald gehst, die Natur zeigt dir, was sie will und was sie braucht!«

Das war schon alles. Denn wenn der Bub das nicht begriffen hätte, dann wäre eh alles umsonst gewesen, das ganze Werk der Ahnen; denn viele Bauerngenerationen braucht es, damit so ein Karl Stratz und seine Söhne vor Tannen stehen können, gut zweihundert Jahre alt und vierzig Meter hoch. Der Stolz, solche Naturdenkmäler zu besitzen, ist diesen Bauern mehr als das Geld wert, das sie mit solchen Riesen erlösen könnten. »Für mich sind das Bäume zum Anschauen!« sagte er. Und zum Anschauen sind sie ja auch für die Schwarzwaldwanderer, die heute auf der neuen Straße durch diesen Privatwald ziehen - ob sie wohl daran denken, dass hier Naturschutz und Landschaftspflege nicht das Ergebnis von raschelndem Verordnungspapier sind, sondern vielmehr die Frucht einer starken Naturliebe, die auch zum materiellen Opfer bereit ist?

Wenn nur die Baumurenkel hochkämen! »Der Wildbestand ist einfach zu hoch«, sagt Stratz, »das Wild frisst den Zuwachs weg!« Die Jagd hat er verpachtet, weil er selber nicht schießen will, doch wenn er und seine Nachbarn einen Jagdschein hätten, stünde es wohl besser um den Wald. Zwar sind »die Bauern hier noch nicht angekränkelt vom Hegegedanken«, wie der bissig-erfahrene Forstdirektor Keller brummt, aber die Rechnung geht eben doch nicht auf, wonach mit der Jagdpacht die Drahthosen für die kleinen Tannen bezahlt werden sollten.

Dass ein solcher Familienwald in Wahrheit ein Kunstwerk ist, zeigt fast jeder Schritt über die Grenzen dieses Besitzes auf andere Grundstücke. Dort sieht man bis heute die Spuren eines Raubbaus ohne Waldverständnis, einer Misswirtschaft aus den zwanziger Jahren. Damals brachten persönliche Malaisen und betrügerische Geschäftemacher viele Bauern ringsum ins Unglück, und das musste der Wald büßen. Lockere Buchenbestände ohne Jungwuchs und ungepflegte Fichtenwildnis stehen dort auf Hängen, die ebenfalls die schönsten, gesündesten und artenreichsten Mischwälder tragen könnten; denn der Boden und der viele Regen bieten in diesem Tal beste Voraussetzungen - obwohl nicht zu leugnen ist, dass auch im Simonswälder Tal die Westwinde inzwischen die Luftgifte der Industrie und des Verkehrs heranwehen; die greifen die Bäume an den Hangkanten an.

Der städtische Naturfreund sollte sich nicht täuschen: was im gepflegten Plenterwald wie ein herrlich ursprüngliches Waldbild aussieht, ist - gesteuerte Natur. Das Großartige dabei ist jedoch, dass dieser »Ur«-Wald nicht nur unserem Schönheitsempfinden entspricht, sondern dass er fast allen Anforderungen genügt, die an den Lebensspender Wald gestellt werden können. Und der Bauer wird sogar satt dabei.


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