Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Waldschäden

Kapitel in: Waldschäden

Der Belastung nicht gewachsen

Zahlreiche deutsche Waldregionen sind krank. Die Untersuchungen, was es denn nun ist, das dem Wald so zusetzt, dauern an. Einige Faktoren haben die Wissenschaftler inzwischen erkannt; und man ist sich auch weitgehend darüber einig, dass es nicht einzelne, isolierte Einflüsse sind, sondern ihr kompliziertes Zusammenwirken, das sich katastrophal auf die Gesundheit der Bäume auswirkt. Waldschäden

Chronistenpflicht ist es, zu vermelden, dass unser Wald nicht zum erstenmal krank ist. Immer wieder hat er sich erholt. Wer aber daraus schließt, dass auch seine jetzige Krankheit nur ein vorübergehendes Leiden sei, urteilt sicherlich falsch - und leichtfertig. Hier bahnt sich Chronisches an: eine ständige Belastung. Vor allem aber: ein Siechtum, das nicht auf wenige, kleine Stellen begrenzt ist.

Als das Bundeskabinett in Bonn im Jahr 1985 den Waldschadensbericht verabschiedete, stellte Forschungsminister Heinz Riesenhuber fest, dass »52 Prozent der deutschen Waldfläche in ihrer Vitalität gemindert oder geschädigt« seien; im Schwarzwald sind es 70 Prozent, auf der Schwäbischen Alb 69, in Franken, Oberfranken und im Fichtelgebirge 67 und 68 Prozent, im Neckar- und im Frankenalbvorland sowie im Oberpfälzer Wald 65 und 66 Prozent. Und inzwischen ist es auch nicht besser geworden.

Dass ähnliche Symptome immer wieder festgestellt wurden, hätte die Einsichtigen eigentlich längst warnen müssen. Schon Strabo, ein griechischer Geograph, etwa 63 vor Christus geboren, berichtete in seiner »Geographica«, die insgesamt 17 Bände umfasste, von der schädigenden Wirkung schwefelhaltiger Dämpfe, die aus Erzröstereien stammten und den Wäldern schadeten. Auch der römische Offizier und Schriftsteller Gaius Plinius der Ältere, geboren etwa 23 nach Christus, sprach in seiner »Naturalis Historia« vom Verschwinden der geschädigten Vegetation.

Im Jahre 1348 verbot man den Schmieden im sächsischen Zwickau, Steinkohle zu verwenden, weil durch den Rauch »die Luft verpestet« werde; wenig später stellte man fest, dass in der Umgebung der Schmieden die Bäume in ihrem Wachstum behindert worden waren.

Erstaunt liest man in Berichten des Engländers Robert Angus Smith, die 1892 erschienen, den Begriff »acid rain« (Saurer Regen). Und den Schriften zahlreicher Wissenschaftler kann man entnehmen, dass man sich seit dem 18. Jahrhundert mit dem Problem der Walderkrankungen durch Rauchschäden beschäftigt hat.

Sehr bekannt wurde ein 370 Seiten starkes Buch, das 1883 der Dresdner Agrarchemiker Julius von Schröder zusammen mit dem Goslarer Oberförster (und späteren Oberforstrat) Carl Reuss herausbrachte: »Die Beschädigung der Vegetation durch Rauch und die Oberharzer Hüttenrauchschäden«. Mit »Rauchschäden« war die Einwirkung dieses frühen Stadiums des Industriezeitalters auf die Natur nur sehr allgemein umschrieben. Es dauerte ziemlich genau ein Jahrhundert, bis die Dokumente des Försters Reuss erneut behandelt wurden, leider allzuoft im falschen Zusammenhang. Seine Schadensberichte mussten eine Art Alibifunktion übernehmen mit dem Hinweis darauf, dass Waldschäden in unserer geographischen Lage alles andere als neu und damit auch diesmal mehr oder weniger unvermeidbar seien - auch wenn das Ausmaß offenbar etwas größer sei als in historischer Zeit.

Sicher ist aber leider immer noch nicht, wie die Waldschäden tatsächlich zustande kommen - wer die Hauptschuld trägt, wo man zuerst eingreifen muss. Nur eine summarische Erkenntnis ist unbestritten: dass das 20. Jahrhundert von einem steilen Anstieg der industriellen Produktion geprägt und es daher gar nicht verwunderlich ist, dass sich Auswirkungen auf das natürliche Wachstum der Pflanzen ergeben. So wurden bereits 1906 Waldschadenserhebungen in vielen deutschen Mittelgebirgen durchgeführt - im Schwarzwald, im Thüringer Wald, im Frankenwald und im Fichtelgebirge. 1928 spricht man bereits von »Seuchenzügen« in Tannenwäldern. Doch öffentliche Diskussionen um zunehmende Waldschäden blieben aus. Regional auftretende Schadstoffbelastungen, die auch das Wachstum der Natur hemmen konnten, wurden zwar als lästig eingestuft, aber man bekämpfte sie durch den Bau möglichst hoher Kamine, welche die Industrieabgase scheinbar unschädlich davonziehen ließen.

Bis in die siebziger Jahre kannte man in der Öffentlichkeit Berichte über die Folgen von Schadstoffen in der Luft allenfalls im Zusammenhang mit Schäden an historischen Bauwerken - am Kölner Dom beispielsweise. Die Schuld gab man Industrie- und Kraftwerken mit ihrem Ausstoß von Schwefeldioxid und der daraus entstehenden Säurebelastung der Luft. In einigen Publikationen wurde der Verdacht geäußert, dass die Emissionen auch auf Menschen schädigend wirken könnten.

Erst 1981 war ein neuer Stand der Diskussionen erreicht. Berichte über neuartige Waldschäden in nahezu allen Tageszeitungen und Illustrierten veranlassten die Konferenz der Länder-Umweltminister, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Die Bundesregierung berief daraufhin eine Expertengruppe , um die Gründe für die Waldschäden zu untersuchen und Abhilfemaßnahmen einzuleiten.

In der Folgezeit wurden zahlreiche Schadenshypothesen aufgestellt, die aber keinen einzelnen, isolierten Verursacher erkennen lassen. Vielmehr müssen hier sehr komplizierte Wirkzusammenhänge bestehen.

In den Jahren 1981 und 1982 wurde das Schlagwort vom »Waldsterben durch den Sauren Regen« geprägt. Die Berichte beschäftigten sich fast ausschließlich mit dem Schwefeldioxid (S02) in der Luft. Dieser Schadstoff rührt von Kraft- und Fernheizwerken her, doch auch Industrieprozesse, Haushalte und viele Kleinverbraucher sind beteiligt. Der jährliche Ausstoß von Schwefeldioxid beträgt in der Bundesrepublik Deutschland rund drei Millionen Tonnen. Etwa 3,4 Prozent gehen zu Lasten des Verkehrs.

Schwefeldioxid ist in der Tat für Pflanzen schädlich. Diese Verunreinigung der Luft ist eigentlich gasförmig, doch sie schlägt sich auch in Tröpfchen, als schweflige Säure, nieder. Während sich das Schwefeldioxid in der Luft befindet, kann es auch chemisch umgewandelt werden: es oxidiert zu Schwefeltrioxid (S03). So reagiert es mit Regenwasser zu Schwefelsäure (H2S04).

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