Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Flößerei

Flößerei

Kapitel in: Flößerei

Viele Riesenflöße dienten als Schmuggelschiffe

Nach heutigen Preisen war jedes dieser riesigen Flöße viele Millionen Euro wert - vor allem, wenn sie die mächtigen Tannen und Fichten enthielten, für die der Schwarzwald berühmt war und die von den Niederländern beim Schiffs- und Städtebau benutzt wurden. Die Altstädte von Amsterdam und Rotterdam stehen auf riesigen Pfahlrosten aus Tannen. Besonders starke Stämme heißen im Schwarzwald noch heute Holländer.

Schon die Flöße in den Bergbächen trugen oft eine Oblast aus Waren, die transportiert werden sollten: Butter, Holzkohle, Pottasche. Die riesigen Flöße auf Rhein oder Donau waren sogar veritable Frachtschiffe: Neben bereits geschnittenem Holz beförderten sie Kisten und Kasten mit Waren aller Art, außerdem Wohnhütten für mehrere hundert Mann Besatzung.

Oft genug waren die Flößer auf ihren weiten Reisen Leidtragende der politischen Verhältnisse: Der Rhein und auch die Donau, auf der ebenfalls geflößt wurde, strömten über Dutzende von Ländergrenzen, und nicht selten lagen die Länder im Streit - zumindest gab es überall Zollstationen, an denen kräftig abkassiert wurde. Doch auch auf diesem Gebiet verstanden die Flößer ihr Handwerk: Viele Flöße auf den großen Strömen waren, zu allem anderen, auch Schmuggelschiffe.

Schwierigkeiten ganz anderer Art brachten die Ländergrenzen bei den kleineren Flüssen. Auf der oberen Murg zum Beispiel im Nordschwarzwald verlief zwischen Schönmünzach und Forbach die Grenze zwischen Baden und Württemberg. Und weil württembergisches Holz damals nicht über badisches Gebiet transportiert werden durfte, kam es prompt dahin, dass eine Zeitlang das Floßholz oberhalb von Klosterreichenbach (das nördlich von Freudenstadt liegt) aus der Murg gezogen und mit Pferden und Ochsen über Igelsberg zur Einbindestelle an der Nagold geschleppt werden musste Das ging hinauf und hinunter. Damit die Stämme bergauf leichter gleiten konnten, war der Weg bis zur Höhe mit Querhölzern aus 12000 jungen Tannen, den Bruckhölzern, belegt; er hieß deshalb Bruckholzweg. Für die mächtigen Holländerstämme brauchte man bergauf besonders starke Pferde; das andere Holz übernahmen Ochsen, denen zum sicheren Tritt auf den Bruckhölzern die Klauen geritzt worden waren. Die Anlage, das »Thannenfuhrwerk«, war von 1746 bis 1785 in Betrieb.

Mit dieser Fuhranlage war bereits bewältigt, was in den vergangenen Jahrhunderten stets das größte Problem bei der Holzarbeit gewesen war. Wie kriegt man - solange sie noch nicht im Wasser sind - die gefällten Stämme von Fleck? Große befestigte Waldwege, auf denen Karren hätten fahren können, waren unbekannt. Meist wandte man eine Methode an, die in vielen Wäldern noch heute üblich ist: das Rücken. Pferde oder Ochsen (heute sind es oft Traktoren) werden vor den Stamm gespannt, um ihn gleitend über den Boden zu schleppen. Wenn der Baum entastet und von seiner Rinde befreit ist, geht das erstaunlich gut.

Riese
In den Berggegenden sauste das gefällte Holz meist auf Rutschbahnen zum Verflößen ins Tal - auf den sogenannten Riesen. Das waren oft ungemein kunstvolle Konstruktionen. Sogar regelrechte Brücken wurden gebaut.

Oft galt es, Holz, das in hochgelegenen Hängen geschlagen wurde, zu einem Fluss hinunterzuschaffen, wo man es flößen konnte. Da hatten Forstleute in vielen Wäldern die gleiche Idee: sie bauten Rutschbahnen fürs Holz, die »Riesen«. Solche Riesen waren im Schwarzwald noch vor 50 Jahren im Gebrauch. Um die Jahrhundertwende soll es dort sogar, im Wortsinn, ein Riesen-Riesennetz von mehreren tausend Kilometern Länge gegeben haben. Manche waren so raffiniert gebaut, dass man das Holz mit Hilfe von Weichen beliebig hierhin oder dorthin dirigieren konnte.

Heute wird im Schwarzwald keine Riese mehr benutzt. Aber wer sehen will, wie sich solch eine gigantische Rutschbahn in der Landschaft ausnimmt, braucht nur an den Glaswaldsee zu fahren. Der liegt südwestlich von Freudenstadt, zwischen Bad Peterstal und Bad Rippoldsau, mitten im Wald. Von Schapbach und Bad Rippoldsau führen Wanderwege hin, aber der kürzeste - drei Kilometer lang - und bequemste zweigt von der Verbindungsstraße zwischen beiden Orten ab, und zwar einen Kilometer südöstlich vom Seebächle, am höchsten Punkt dieser Straße. Gleich beim See hat die Forstdirektion Karlsruhe eine Riese nachbauen lassen - oder wenigstens ein 600 Meter langes Teilstück, von oben bis unten aus glatten Baumstämmen zusammengesetzt. In den Kurven ist die äußere Wand - die Prallwand - wie eine Bobbahn überhöht, damit die Stämme nicht über die Krümmung hinausschießen können. Bäche, Mulden oder morastiges Gelände werden mit brückenähnlichen Pritschen überquert.

Auf solchen Riesen donnerten die entasteten und entrindeten, oft 30 Meter langen Stämme mit Geschwindigkeiten von 70 oder 80 Stundenkilometern zu Tal. Im günstigsten Fall endete der Auslauf direkt auf einer Wiese am Rand eines Weihers. In dessen Einbindstube wurden die Stämme dann zu Flößen verbunden.

Lang hat der Flößereibetrieb sich im Nordschwarzwald gehalten - bis zu Beginn unseres Jahrhunderts. Und erst vor einigen Jahren hat die Forstdirektion Karlsruhe versucht, das Flößen auf der Enz noch einmal »nachzuspielen«: Ortsansässige Forstarbeiter und mutige Männer des Technischen Hilfswerks wurden in historische Trachten gesteckt (wobei sich herausstellte, dass die 100 Jahre alten Flößerstiefel noch immer wasserdicht waren) und angewiesen, gemäß den Bedingungen des letzten Jahrhunderts Flöße zu bauen, sie zu Wasser zu lassen und den Fluss hinabzudirigieren.

Das Ereignis - ebenso mühevoll wie vergänglich - wurde seinerzeit dokumentarisch festgehalten in Fotos und Filmen; einige der Farbaufnahmen finden sich auf der nächsten Seite. Die Schwarzweißbilder dagegen sind historisch: Die machte um die Jahrhundertwende der Wildbader Hoffotograf Konrad Blumenthal.

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