Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Weihnachtsbäume

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Papier, Äpfel und Backwerk

Holzschnitt Weihnachtsbaum
Holzschnitt von Ludwig A. Richter

Der Brauch, einen Tannenbaum in die weihnachtliche Stube zu stellen, scheint zunächst also nicht gefährdet. Es wäre auch schade, denn er ist sehr alt. Wann die ersten Weihnachtsbäume in den Wohnungen aufgestellt wurden, ist umstritten. Lange Zeit behaupteten die Straßburger, bei ihnen sei der Weihnachtsbaum erfunden worden, und zwar vor 1605. Denn schon aus jener Zeit gibt es in der Tat schriftliche Zeugnisse, wonach in Straßburg Weihnachtsbäume wohlbekannt waren, und nicht alle sind positiv. So schrieb im Jahr 1665 der Straßburger Geistliche Johann Konrad Dannhauer: »Unter anderen Lappalien, damit man die alte Weihnachtszeit oft mehr als mit Gottes Wort begeht, ist auch der Weihnachts- oder Tannenbaum, den man zu Hause aufrichtet, denselben mit Puppen und Zucker behängt und ihn hiernach schüttelt und abblümen lässt.« Weihnachtsbaum

Inzwischen wird den Straßburgern die »Erfinder«-Ehre streitig gemacht. Man weiß, dass die Menschen seit mindestens 2000 Jahren zur Weihnachtszeit Grünes in ihre Häuser und auf die öffentlichen Plätze holten. Der Baum galt im ganzen indogermanischen Kulturkreis als Symbol des fortdauernden Lebens; so war es selbstverständlich, Haus und Hof auch bei der winterlichen Sonnwendfeier mit Grünem zu schmücken. Das konnten Zweige von Buchsbaum oder Stechpalme sein, von Wacholder oder Mistel - aber auch von Tanne oder Fichte.

Im Mittelalter nannte man die Festzweige »Weihnachts-Maien«. Die hatten mit dem Monat Mai nur indirekt zu tun; das Wort geht auf den römischen Gott Maius zurück, den wachstumbringenden (nach dem dann allerdings der Mai seinen Namen hat). Wann nun dieser Begriff »Maien« nicht mehr nur ein Büschel Zweige, sondern einen ganzen Weihnachtsbaum umschloss - das ist die Frage. Im Stadtbuch des elsässischen Städtchens Ammerschweier wird bereits 1448 eine von alters her bestehende Waldordnung verbrieft, wonach zu Weihnachten kein Bürger mehr hauen soll »dann einen Meyen. . ., soll nit lenger sein, dan 8 Schuo lang.« Weil acht Schuh mehr als zwei Meter sind, dürfte es sich wohl um einen Baum gehandelt haben, der da als Maien galt.

Der Stadtarchivar von Turckheim im Oberelsass kann aus einem Büchlein aus dem Jahr 1597 zitieren; darin steht, dass der Städtische Rat für den Schmuck eines Christbaums vier Gulden ausgegeben habe: für gefärbtes Papier, Äpfel und Backwerk. Solche gleichsam öffentlichen Weihnachtsbäume waren im Elsass um jene Zeit also offenbar durchaus üblich.

Wie auch immer: der Brauch, einen Weihnachtsbaum aufzustellen, kam wohl im Elsass auf. Er verbreitete sich schnell, vor allem in Süddeutschland. Liselotte von der Pfalz schrieb 1708, in Heidelberg gäbe es zu Weihnachten einen Brauch namens »Christkindl«. Man habe da im Heidelberger Schloss kleine Bäume auf den Tisch gestellt (es waren wohl keine Tannen oder Fichten, sondern vermutlich Buchsbäume), und an jedem Zweig habe eine Kerze gebrannt. »Das sieht allerliebst aus«, schrieb sie, »und ich möchte es doch heutzutage gern sehen...«

Freilich nicht überall wurde der Weihnachtsbaum schnell bekannt. Der österreichische Heimatdichter Peter Rosegger beschrieb noch 1870 sehr anschaulich, wie er in der großen Stube bei sich zu Hause zum erstenmal einen Christbaum aufstellte - und wie seine Familie nebst dem Gesinde äußerst erstaunt war über das, was sich darbot: Kerzen an einem Baum!

In manchen Teilen Deutschlands waren Weihnachtsbäume noch vor 100 Jahren kaum üblich - und wenn, dann vor allem bei den Wohlhabenden. Die Ärmeren konnten sich nur Weihnachtspyramiden aus Holz oder Draht leisten, welche mit Kerzen besetzt waren.

Wo der Brauch verbreitet war, gab es bereits im 18. Jahrhundert ganze Listen von Christbaumschmuck. Es waren keine Verkaufskataloge, sondern Gebrauchsanweisungen. Denn den Schmuck bastelte man damals noch selbst in der Familie - vor allem aus Teig gebackene Figuren: Menschen, Tiere, Sonne, Mond und Sterne. Aus buntem Papier wurden Blumen geschnitten. Bemalte Holzfiguren wie Pferde oder Vögel hingen an jedem Baum, dazu geflochtene Strohsterne. Die Kerzen - aus Talg, denn Wachs war teuer - hatte man rot gefärbt.

Außerdem waren vergoldete Nüsse sehr beliebt. Haselnüsse reihte man zu ganzen Schnüren aneinander. Diese weihnachtliche Vorliebe für Nüsse und Mandeln, die sich bis heute erhalten hat, stammt aus vorchristlicher Zeit: Nüsse waren Fruchtbarkeitssymbole.

Ähnliche Symbolkraft hatten die Äpfel, die in vielen Gegenden von Anfang an zum Christbaumschmuck gehörten. Sie galten einst als Weihegaben für die heidnischen Götter.

Was die Symbolkraft des Tannenbaums selbst betrifft, so schrieb der Schweizer Psychoanalytiker C. G. Jung, dass es schon immer symbolische Beziehungen nicht nur zwischen dem Baum und dem germanischen Wintersonnenwendfest gegeben habe, sondern auch zwischen dem Baum und dem Kreuz Christi. Deshalb habe sich das Baumsymbol so gut in das Christfest eingefügt. Es sei »die Sphäre unseres immer noch lebendigen christlichen Mysteriums - die Geburt unseres Herrn, verflochten mit dem Geheimnis des immergrünen Baumes, der das neugeborene Licht trägt«.

Es wäre wohl wirklich schade, auf den Weihnachtsbaum zu verzichten. Und den Waldbesitzern täte man schwerlich Gutes. Viele von ihnen, die durch die Waldschäden in ihrer Existenz gefährdet sind, brauchen den alljährlichen Verkauf der Weihnachtsbäume, um Geld für die Pflege ihrer Bestände zu gewinnen.


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