Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Forstwirtschaft

Kapitel in: Forstwirtschaft

Ein Hochwald kann ganz niedrig sein

Große Verwirrung bringen heute immer wieder die Begriffe »Hochwald« und »Niederwald«. Was immer der normale Menschenverstand sich darunter vorstellen mag: es ist falsch. Hochwald braucht nicht hoch zu sein und Niederwald nicht niedrig. Unter Hochwald versteht man ganz einfach alle Bestände, die lediglich durch natürliche Verjüngung, Pflanzung oder Saat erneuert werden. Auch eine ganz junge Tannenschonung stellt deshalb einen Hochwald dar. Moderne Forstwirtschaft

HolzproduktionDie Holzproduktion - bezogen auf den einzelnen Arbeiter - hat sich in den letzten Jahren um ein Vielfaches erhöht.

Niederwald dagegen entsteht bei einer uralten Form forstlicher Nutzung in unseren Wäldern. Schon Plinius der Ältere, ein römischer Autor von starkem naturwissenschaftlichem Interesse, beschrieb diese Nutzung im ersten Jahrhundert: Bäume werden gefällt, aber aus dem Wurzelstock treiben neue Ausschläge; die wachsen sehr schnell und kräftig, weil ihnen durch das umfangreiche Wurzelsystem viel Wasser und Nährstoffe zugeführt werden. Niederwald lässt sich alle 20 bis 40 Jahre erneut schlagen. Indes, das System funktioniert nur bei Laubbäumen, besonders gut bei Eichen und Hainbuchen. Bei Nadelbäumen lässt es sich aber nicht anwenden.

Um typischen Hochwald handelt es sich bei dem oben erwähnten Waldaufbau, der nach dem System des Schirmschlags entstand. Ein solches System hat freilich für jeden, der planwirtschaftlich denkt, einen großen Fehler: Nicht jedes Jahr bringt ausreichend Samen. So musste man beim Schirmschlag die Samenbäume oft länger stehen lassen, als man beabsichtigt hatte.

Diese und ähnliche Methoden waren vielen Forstleuten der Aufklärungszeit zu unsicher. In jener Zeit des 18. Jahrhunderts, da man Vernunft über alles schätzte, ging man auch im Forst vernünftig vor: Abholzen, Kahlschlag, Wald völlig neu anlegen! Da gab es keine störenden Fragezeichen, da ließen Aufwand und Ertrag sich erfreulicherweise genauestens berechnen.

Was man nicht berechnet hatte, weil man die Lebensgesetze des Waldes verkannte, waren die bösen Folgen der Kahlschlagmethode. Der Waldboden, seines Daches beraubt, auf weiten Flächen direktem Sonnenlicht und ungemildertem Regenfall ausgesetzt, veränderte sich. Seine feine Struktur wurde gröber, wichtige Stämme der Bodenlebewesen starben ab. Neupflanzungen fanden nicht mehr den Boden, der ihnen die optimalen Bedingungen bieten konnte.

Aber es kam noch schlimmer. Da es nach damaliger Auffassung unvernünftig gewesen wäre, den schwieriger zu bearbeitenden Mischwald zu pflanzen, legte man quadratkilometergroße Monokulturen aus Fichten an, ausgerichtet wie die Soldaten. Fichten, die so in Reih und Glied aufwachsen, geben schnell wertvolles, gerades Holz; sie lohnen sich. Denn auf einem Hektar Waldboden wachsen im Endbestand entweder 200 Buchen, die nach 120 Jahren erntereif sind, oder 400 Fichten, die man schon nach 70 Jahren schlagen kann. Der Erlös für die Fichten ist - nach heutigem Marktpreis - etwa dreimal höher als das Geld, das die Buchen bringen.

Aber die Fichten können sich nicht gegen Schädlinge wehren, die im Mischwald durch ihre natürlichen Feinde unterdrückt werden. Monokulturen aus Nadelbäumen, die standortwidrig sind, von Natur aus dort also gar nicht wachsen würden, bleiben zeit ihres Lebens anfällig - nicht nur gegen Käfer und Pilze, sondern auch gegen Windwurf. Sie trocknen leichter aus als Laubwälder; die Waldbrandgefahr ist größer.

Gerechterweise muss man aber auch darauf hinweisen, dass mancherorts gar nichts übrigblieb, als solche Monobestände zu pflanzen. Denn ums Jahr 1800 war der Wald in Mitteleuropa - in der Schweiz, in Österreich, Frankreich und vor allem in Deutschland - in einem miserablen Zustand. Viele Wälder waren seit langem verwüstet und nur an unzugänglichen Steilhängen noch erhalten; die Hochflächen der Mittelgebirge waren abgeholzt. Die Holznot, aber auch Erosion und Klimaverschlechterung durch den fehlenden Wald erzwangen ab 1830 einen Neuaufbau der Forsten. Auf Weiden und leeren Flächen konnte man fast nur Fichten und Kiefern pflanzen, weil diese verhältnismäßig anspruchslos sind und mit schlechten Böden noch am ehesten auskommen. So entstanden dort zwangsläufig die heute vielgeschmähten Monokulturen.

Als man hundert Jahre später erkannte, dass diese Art der Forstwirtschaft fragwürdig war, mussten sich viele Forstleute von neuem auf die Schulbank setzen, um sich mit den zahlreichen Möglichkeiten zu befassen, die verständige Köpfe inzwischen ausgearbeitet hatten. Man wusste mittlerweile, dass es für fast jedes Waldstück eigene Lebensgesetze zu beachten gibt. Nun entwickelten sich Dutzende von Lehrmeinungen, mit denen sich ein verantwortungsbewusster Forstmann auseinandersetzen musste

Da gibt es, um nur ein paar Beispiele zu nennen, den Wagnerschen Plentersaumschlag, Eberhards Keilschirmschlag und den Bayerischen Saumfemelschlag - neben vielen anderen Verfahren, die immer nur unter bestimmten Situationen erfolgreich sind. Ein Forstmann, der heute seinen Wald fachmännisch »einrichtet« - ihn vermisst, einteilt und Inventarlisten über Vorrat und Zuwachs anlegt, der die Umtriebszeit der Bestände festsetzt (wie alt die einzelnen Stämme werden sollen) und die klassischen drei Hauptabteilungen seiner »Einrichtung« treu versorgt (Betriebsgeschichte, Betriebsbeschreibung, Betriebsplanung) solch ein Forstmann hat am Schreibtisch zu tun.

Unter anderem geht es heutzutage auch darum, das vor vielen Jahrzehnten angelegte Verhältnis von Laub- und Nadelwald behutsam, aber deutlich zu korrigieren.

Einst überwog der Laubwald fast überall in Deutschland. Selbst im Schwarzwald - so nimmt man an - wuchsen im frühen Mittelalter vier Fünftel Laub- und nur ein Fünftel Nadelbäume. Erst im ausgehenden Mittelalter drangen Nadelbäume - teilweise auf natürlichem Weg durch Samenanflug - in die Waldgebiete, in denen Holz geschlagen worden war. Oft wurden Nadelwälder auch bewusst durch Saat oder Pflanzung angelegt. Doch die tiefgreifenden Veränderungen fanden, wie gesagt, erst im 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts statt, als man in den durch intensive Nutzung ausgebeuteten und verwüsteten Wäldern verstärkt Nadelbäume anbaute. Die Entwicklung verlief allerdings nicht überall gleich. Wegen der unterschiedlichen Landschaftsformen, Bodenverhältnisse und Klimaeinflüsse erhielten sich auch ausgesprochene Laubwaldgebiete - hierzu gehört etwa der südliche Teil des Oberrheinischen Tieflands. Daneben aber entstanden fast reine Nadelwaldgebiete wie der Schwarzwald, die Hochebene der Baar und das südwestdeutsche Alpenland.

Die moderne Forstwirtschaft bemüht sich nun zu mischen. Sie hat in den vergangenen Jahrzehnten im öffentlichen Wald ein Nebeneinander von 67 Prozent Nadelbäumen und 33 Prozent Laubbäumen angestrebt. Immer noch sind vorsichtige Umwandlungen nötig. Und stets haben die Forstleute die doppelte Aufgabe vor Augen: einen Wald aufzubauen, der nicht nur ökonomisch lukrativ, sondern auch ökologisch intakt ist. Die für jeden Standort typische Flora und Fauna soll erhalten bleiben oder wieder hergestellt werden.

Forstwirtschaft
Im Gegensatz zum Plenterwald, bei dem Bäume jeden Alters und aller Größen durcheinanderwachsen, haben im Pferde im Wald (links) und die modernen Transportmittel für Holz (rechts) sind nur scheinbar Gegensätze. Natürlich bedient man sich außerhalb der Wälder gern der größten Lastzüge, um die Stämme zu befördern. Doch für die Arbeit im Wald sind Pferde meist besser geeignet als Traktoren. Pferde sind nicht nur jedem Gelände gewachsen. Sie richten auch kaum Schaden an, verdichten den Boden nicht und brauchen oft nicht einmal jemanden, der sie führt.

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