Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Jagd

Kapitel in: Jagd

Der stete Konflikt: erhalten oder ausrotten?

Auf diesem Kupferstich von Johann Elias Ridinger vom Beginn des 18. Jahrhunderts ist ein Falkner auf dem Weg zur Falkenbeize: Er bringt die Vögel zum Jagdplatz.

Für den Jäger entstand daraus bis heute ein grundsätzlicher Konflikt: Einmal sollte er den Tierbestand erhalten, um ihn - wegen des Fleisches und der Felle - nachhaltiger nutzen zu können; es galt aber, nur die Zinsen anzugreifen und das Kapital zu bewahren. Zum andern aber sollte er in die Substanz eingreifen, um die eine oder andere Tierart auszurotten. (In diesem Jahrhundert spricht man seltener vom Vertilgen oder Ausrotten, sondern davon, es seien bestimmte Gebiete von dieser oder jener Art frei zu halten oder frei zu machen; die Art sei mithin so sehr zu vermindern, dass die Tiere keinen fühlbaren Schaden mehr anrichteten. Da aber niemand mit Sicherheit weiß, wo die Grenze liegt, jenseits derer die Verminderung in Ausrottung übergeht, wurde beispielsweise der Fischotter auf diese Weise ganz unabsichtlich fast ausgerottet.) Jagd

In weiten Teilen der Öffentlichkeit wird heute die ursprüngliche Nutzungsfunktion der Jagd völlig abgelehnt und nur noch die Schadensminderung als Legitimation akzeptiert. Jagd soll demnach nur dort und insoweit zulässig sein, wo und soweit sie zur Regulierung der Wildbestände erforderlich ist. Der Maßstab, welche Arten in jeweils welchen Kopfzahlen wo vorkommen sollen, wird von den wechselnden Wünschen der Allgemeinheit bestimmt.

Diese Denkweise trifft insofern auf wohlvorbereiteten Boden, als - zumindest in Mitteleuropa - die Jägerschaft selbst in ihrem Denken von solchen Vorstellungen nicht unbeeinflusst blieb. Sie akzeptierte nicht nur die Scheidung der Pflanzen- und Tierwelt in »Kraut und Unkraut«, »Nutztier und Schädling«; sie begann auch, diese Begriffe auf die Wildbahn zu übertragen.

Im Zuge dieses Umdenkens wurde das Wild, obwohl es rechtlich weiterhin herrenlos ist, in der Vorstellung der Öffentlichkeit immer mehr zum Wild des Jägers; auch viele Jäger betrachten inzwischen jede Maßnahme wie einen Eingriff in ihr Eigentum. Mehr noch: man denkt, was »des Jägers Vieh«, die Hirsche, Sauen und Rehe fraßen, sollte der Jäger bezahlen. Und wenn er das nicht will, dann soll er sie abschießen.

Folgerichtig begannen nun die Jäger, ihre »eigene Herde« nach nützlichen Kriterien zu verwalten und den Besatz nach eigenen Zielvorstellungen zu planen. Dabei galten die Arten, die sowohl schmackhafte Braten als auch hohen jagdlichen Lustgewinn versprachen, als nützlich. Schädlich waren demnach alle, die einer so bemessenen jagdlichen Gewinnmaximierung im Wege standen - oder die Anlass zu hohen Aufwendungen für Waldschadens-Ersatz gaben. Problematisch wurde es immer dort, wo hoher Lustgewinn auf der einen mit hohen Schäden im außer jagdlichen Bereich auf der anderen Seite gemeinsam auftraten. Die Bemühungen, hierzu tragbaren Kompromissen zu kommen, prägen die einschlägigen Fachdiskussionen bis auf den heutigen Tag.

Nach und nach machte sich das Bild vom »gut gehegten und gepflegten Revier« breit; es war von der Vorstellung einer Optimierung von Nutzwildbeständen und -besätzen geprägt, die mit viel Lustgewinn zu bejagen und gut zu beobachten sein mussten. Der jährliche Überschuss sollte durch menschliche Jagd geerntet werden. Eingriffe durch andere jagende Geschöpfe wurden zunächst überhaupt abgelehnt, später gerade noch im Rahmen der Zweckmäßigkeit - etwa als Gesundheitspolizei - geduldet. Ansonsten sollten Hunger und Not, Krankheit und Tod vom Wildbestand ebenso ferngehalten werden wie von einer Viehherde. Einrichtungen wie Wildäcker und Verbissgehölze, Winterfütterung und Wintergatter wurden selbstverständlich. Ein vielfältiger Bestand aus vielen Arten und gesunden Einzeltieren, nach Altersklassen und Geschlechtern optimal gegliedert, sollte (bei möglichst geringen Wildschäden) eine nachhaltige Ausbeute an verwertbarem Wildbret und Nebenprodukten sowie, möglichst weit übers Jahr verstreut, ein Optimum an jagdlichem Lustgewinn erbringen, der durch gute Trophäen noch weiter gesteigert wird.

Von diesen Vorstellungen ist auch die Jagdgesetzgebung in den europäischen Ländern - teilweise auch in der übrigen Welt - deutlich geprägt. Sicher ist, dass sehr viele Wildarten ohne ein solches Management, das meist unter dem Begriff »Hege« läuft, zumindest in der Kulturlandschaft entweder nicht existieren oder vom wirtschaftenden Menschen nicht geduldet werden könnten. Dennoch ergibt sich dabei nach wie vor eine Vielzahl von Problemen.

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