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Wenn genügend günstige Standortfaktoren zusammentreffen, weiß die Natur die Nachteile eines ungünstigen Faktors oft mit beachtlicher Raffinesse auszugleichen. Der tropische Regenwald gedeiht, wo Wärme, Licht und Niederschläge reichlich vorhanden sind. Die Humusschicht des Bodens ist dort aber eigentlich viel zu dünn, als dass darin Baumriesen von 50 Metern Höhe leben könnten - würde sie nicht ständig neu gebildet. Damit nun das bisschen Humus nicht durch die tropischen Gewitter weggespült wird, schützen die Bäume ihren Untergrund durch ein dichtes Blätterdach: Jeder Regentropfen wird aufgefangen, in den teilweise becherförmigen Blättern gespeichert, von den an Stämmen und Ästen wachsenden Moosen aufgesogen oder über Zweige, Äste und die Baumrinde sanft zu Boden geleitet. Was nicht dem Wachstum dient, verdunstet auf der Oberfläche der Blätter.
Die Waldschlüsselblume wächst bei hoher Feuchtigkeit.
Damit die dünne Humusschicht sich überhaupt bilden und erneuern kann, bedarf es einer Vielzahl von schnell wachsenden Pflanzen, die ebenso schnell wieder absterben, vermodern und mithin für die Erhaltung dieser Schicht sorgen. Die Natur hat so durch einen jahrtausendelangen Prozess den ungünstigen Standortfaktor Boden ausgeglichen.
Mit dem Faktor Mensch wird sie schwerer fertig. Wo Menschen in größerem Umfang Schneisen in den tropischen Regenwald schlagen oder diesen flächig roden, wird die dünne Humusschicht durch die gewaltigen Niederschläge schnell weggespült: der Wald hat keine Chance, sich zu regenerieren. Akkurat dies passiert zur Zeit in den tropischen Wäldern des Amazonas-Gebietes.