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Die wegweisenden Tafeln an den Lehrpfaden sind oft mit großer Liebe und sehr detailliert angelegt.
Professor Friedrich Wilhelm Leopold Pfeil, Forstwissenschaftler und erster Direktor der Forstakademie Berlin, riet 1840 den Forstleuten: »Fraget die Bäume!« Denn kein Lehrbuch, kein Vortrag könne die Anschauung ersetzen, die der Wald und die einzelnen Bäume böten.
Solange die Menschen auf die vielen Produkte des Waldes unmittelbar angewiesen waren, bestand keine Notwendigkeit, ihm durch Lehrgänge oder Führungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Viele besorgten sich im Wald das nötige Brennholz, nahmen sich Reisig, rechten sich Gras und Laub zusammen oder fuhren Steine ab - sie kannten den Wald. Nicht wenige Leute waren tagaus, tagein als Waldarbeiter, Fuhrunternehmer oder Pflanzensetzer tätig.
Dann kamen Bevölkerungszunahme und Verstädterung; der Wald wurde fremd. Doch nun schlug das Pendel zurück: die Hinwendung zur Natur setzte ein, Gebirgs- und Wandervereine entstanden, die Wanderjugend schwärmte aus - das Interesse an Wald- und Forstwirtschaft nahm zu. Vor allem die Lehrer erkannten, dass eine Waldwanderung guten Anschauungsunterricht liefern und die naturkundliche Unterweisung ideal ergänzen kann.
Auch Forstamtsleiter Oswald Fuchs in Zell am Harmersbach - einem Ort im Schwarzwald - verfolgte wie viele seiner Kollegen diese Entwicklung mit Sympathie. Dem Forstmann Fuchs ist es zu verdanken, dass schon 1930 der erste Waldlehrpfad geplant, eingerichtet und zwei Jahre später eröffnet wurde.
Inzwischen hat dieser Lehrpfad viele Nachfolger gefunden - sie sind fast stets nach demselben System angelegt: An einem gut zugänglichen, markanten Punkt (einem Waldparkplatz, einer Kreuzung von mehreren Wanderwegen, am Eingang eines größeren Waldgebietes, am Stadt- oder Dorfrand) beginnt ein Fußpfad, der zu einem mehr oder minder interessanten Ziel führt, vielleicht zu einem Höhengasthaus. Listig verspricht man, auch das Ziel sei wichtig; doch wer dies meint, wandelt in des Wortes wahrer Bedeutung auf dem Holzweg: denn nur dieser ist es, auf den es wirklich ankommt. Sehr oft ist der Waldlehrpfad auch als Rundweg angelegt; er führt dann nach wenigen Kilometern zum Ausgangspunkt zurück.
Gleichviel: in jedem Fall empfiehlt es sich, den Pfad in der vorgesehenen Richtung zu beschreiten; denn man hat ihn meist so angelegt, dass die Informationen, die dem Naturfreund unterwegs vermittelt werden sollen, nach einem wohldurchdachten Plan geordnet sind. Es ist also ratsam, dort zu beginnen, wo der Lehrpfad anfängt. Denn dort steht meist eine Hinweistafel, die Inhaltsverzeichnis und Einführung zugleich ist; hier wird das zu Betrachtende angekündigt, hier werden Lage und Verlauf des Pfades in der Landschaft erläutert.
Es gibt Hinweise auf Groß- und Kleinklima, auf Sonne und Regen, Wind und Wetter - kurz: auf den Hinweistafeln wird in knapper Form gesagt, was der Wanderer wissen will. Hier erhält er die ersten Informationen über alles, was ihm anschließend im Detail vorgestellt werden soll: die Waldlandschaft in ihren geographischen, geologischen, frühgeschichtlichen und siedlungsgeschichtlichen Besonderheiten. Oft sind zudem Proben von Gesteinen, welche typisch sind für den geologischen Aufbau des Gebietes, sichtbar eingemauert und ausführlich beschriftet.
Nach der Lehrpfad-Runde - so erhoffen sich das die Erbauer - müsste der Besucher über Wald und Umgebung informiert sein. Dazu hat man ihm wetterbeständige numerierte Tafeln aufgestellt. Zunächst geht es meist um Baumarten, um deren Vorkommen, Herkunft, Wachstum, Größe, Alter und auch deren Besonderheiten wie Krankheiten und Beschädigungen. Gastbaumarten werden vorgestellt, die aus fremden Ländern eingebürgert wurden; zusammenhängende Waldbestände werden benannt, Hoch-, Mittel und Niederwald erläutert. Gelegentlich werden auch solche Waldaufbauformen vorgestellt, die bereits der Geschichte angehören: beispielsweise die Hutebestände, also alte Waldweiden, oder Reutberge, wo man einst im Wald Getreide angebaut hat. Kulturen, Naturverjüngung, Dickungen, Stangen- und Baumhölzer gehören zum Thema, auf Halbbäume und Sträucher wird hingewiesen, auf typische Kräuter, Moose und Flechten, auf den Aufbau des Waldbodens und die Durchwurzelung verschiedener Baumarten - kurz gesagt: auf die komplizierte Lebensgemeinschaft Wald.
Hier wird anhand eines aufgeschnittenen Baumes oder einer Baumscheibe klargemacht, wie lange es dauert, bis ein Baum herangewachsen und der Waldbestand reif zum Fällen ist; dort wird gezeigt, wie empfindlich das Ökosystem gegenüber äußeren Gefahren ist. Ja, es gibt inzwischen sogar Lehrpfade zum Thema Waldschäden: Bäume in unterschiedlichen Krankheitsstadien werden vorgeführt; an ihnen demonstriert man die Umweltprobleme, von denen unsere Wälder zunehmend betroffen sind.