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Brüderchen und Schwesterchen
In vielen alten deutschen Volksmärchen kommt mit dem Weg in den Wald die Handlung in Gang: »Es war einmal ein armes, frommes Mädchen, das lebte mit seiner Mutter allein, und sie hatten nichts mehr zu essen. Da ging das Kind hinaus in den Wald...« So beginnt das Grimmsche Märchen »Der süße Brei«.
»Ein abgedankter Soldat hatte nichts zu leben und wußte sich nicht mehr zu helfen. Da ging er hinaus in den Wald...« Das ist der Anfang der Geschichte, die »Des Teufels rußiger Bruder« heißt und ebenfalls von den Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm aufgezeichnet wurde.
Was für ein Wald aber war das, in dessen lichtgrüner Dämmerung die Ratlosen Zuflucht suchten? Wo die Hilflosen Hilfe erhofften, die ihnen die Welt versagte?
Sein äußeres und inneres Bild hat sich sehr gewandelt seit den Tagen der Germanen und seit den mittelalterlichen Rodungen, als die Menschen Dorfflur gewinnen wollten. Und vor allem hat das Bild sich gewandelt, seit der Wald vermessen und verrechnet wird in Hektar und Festmeter. Der wildwachsende Wald wich dem wohlangepflanzten Forst; Straßen, Wander- und Spazierwege erschlossen ihn; die geheimnisvolle Heimstatt der Hexen, Riesen und Zwerge wurde zugänglich. An Stelle der Zauberschlösser finden wir Waldrestaurants. Die große alte Eiche, die sich auftat, um Wunderpferde und Zauberwagen ein- und auszulassen (wie es in einem litauischen Volksmärchen heißt), braucht es nicht mehr: Das Waldhotel »Zur Eiche« hat Garage.