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Heute ist die Fichte der häufigste Nadelbaum Mitteleuropas. Ihre ursprünglichen Wuchsgebiete liegen in Gebirgsregionen oberhalb 900 Metern Höhe; seit der Jahrhundertwende jedoch haben neu angelegte Fichtenforste diesem Nadelbaum zu immer größerer Verbreitung und Häufigkeit verholfen. Auch in vielen Mischwäldern sind Fichten zu finden. Vor allem die geringen Ansprüche an Wärme und Bodengüte sowie die Raschwüchsigkeit sichern der Fichte heute ihre Vorzugsstellung in unserer Forstwirtschaft.
Die Gemeine Fichte hat eine einfache, klare Baumgestalt: Der Stamm mit der rotbraunen Borke ist vom Waldboden bis in den Wipfel gerade; die Äste und Zweige gehen vom Stamm zur Seite weg, und zwar immer in einer Höhe, in Quirlen oder Wirteln, so dass die Fichte einen stockwerkartigen Aufbau zeigt. Dabei bedeutet jedes Stockwerk einen Jahreszuwachs. Durch Zählen der Stockwerke kann man also das Alter bestimmen. Die Fichte kann etwa 200 Jahre alt werden, sie wächst dann vielleicht 50 Meter hoch und höher - bei einem unteren Stammdurchmesser, der bis zu zwei Meter betragen kann.
Im Freistand aufgewachsene Fichten sind am Stamm weit nach unten beastet. Auch ihre Krone ist bis unten ausgebildet - exakt in Form eines spitzen Kegels. Im Forst jedoch, wo sie eng beieinanderstehen, sind die Fichtenstämme bis weit hinauf ohne Äste; infolge Lichtmangels starben die unteren Äste größtenteils ab und brachen zuletzt. Der Stamm der Fichte ist nur mit einem sehr flachen Wurzelsystem oberflächlich im Boden verankert; daher werden die Bäume von Stürmen oft umgestürzt. Die Gemeine Fichte ist immergrün; das heißt. ihre als Nadeln ausgebildeten Blätter fallen im Herbst nicht ab, sondern sie bleiben durch alle Jahreszeiten hindurch an den Zweigen. Erst nach mehreren Jahren werden die Fichtennadeln durch neue ersetzt, so dass - im Normalfall - nirgendwo ein Kahlstand zu bemerken ist. Die Nadeln umgeben die Zweige rundum und stehen nach allen Seiten ab. Jede einzelne Nadel sitzt auf einem kleinen braunen Höcker.
Borke der Gemeinen Fichte
Die Blüten sind in Zapfen angeordnet. Die weiblichen Blüten sitzen überwiegend im oberen Teil der Baumkrone als rote, aufrechtstehende, zwei bis vier Zentimeter lange Zapfen, während die männlichen Blüten meist weiter unten am Baum sich entwickeln: ebenfalls rote, aber deutlich kleinere Zapfen. Männliche wie weibliche Blütenzapfen kommen auf ein und demselben Baum vor: Die Gemeine Fichte ist also einhäusig. Das bedeutet aber nicht, dass die Bestäubung der weiblichen Blüten auch immer durch den Blütenstaub der männlichen Blüten desselben Baumes erfolgt. Zu einer solchen Selbstbestäubung oder Inzucht kommt es schon deshalb nicht, weil an einem Baum meist die weiblichen Blüten vor den männlichen aufblühen. In der Regel ist es also der Blütenstaub einer anderen Fichte, welcher die Bestäubung bewirkt.
Der Blütenstaub wird durch den Wind zu den weiblichen Blüten transportiert; die Menge ist so groß, dass im April und im Mai ganze Wolken des gelben Staubs durch die Luft wehen. Oft ist der Boden der Fichtenwälder in dieser Zeit weithin gelb gefärbt: ebenso sind dann die Oberflächen der nahen Seen, Teiche und Tümpel mit einer gelben Schicht von Blütenstaub bedeckt.
Nach der Bestäubung erfolgt die Befruchtung der Samenanlagen in den weiblichen Zapfen. Bald ändern die ihre aufrechte Stellung - sie neigen sich seitwärts, und die ausgewachsenen und reifen Samenzapfen hängen schließlich herab, schwer und fast fünfzehn Zentimeter lang. Bereits im Herbst sind die Samen in den Zapfen reif; doch erst von Februar an fallen die kleinen dunkelbraunen Samen aus dem Spalt zwischen den Zapfenschuppen hinab auf den Boden, wo sie auskeimen. Später fallen dann die nun leeren Fichtenzapfen zur Gänze ab.
Die Fichte ist ein raschwüchsiger Baum, mit dem nach Kahlschlägen weite Flächen aufgeforstet worden sind. Fichtenholz ist sehr vielseitig verwendbar: Es ist ein geschätztes Material in der Bau- und Möbelindustrie, dient zur Papier- und Zellstoffherstellung und findet als Brennholz Verwendung. Die gerbstoffhaltige Borke ist der Grundstoff zur Gewinnung von Lohe, die man früher zum Gerben der Tierhäute brauchte. Der vielbesungene "Tannenbaum" zur Weihnachtszeit ist fast immer eine junge Gemeine Fichte.