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Jahresringe

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  • Sogar die Pfahlbauten lassen sich jetzt datieren

Sogar die Pfahlbauten lassen sich jetzt datieren

Pfahlbauten lassen sich jetzt datieren

Wachstumsperioden
Der Querschnitt durch einen dreijährigen Lindenstamm zeigt deutlich die drei Wachstumsperioden. Der Kern des Bäumchens ist bereits ausgetrocknet. Die Zellen im Stamm dienen dem Transport des Wassers, die in der Rinde befördern die Nährstoffe. Die Borke (ganz außen) ist totes Holz: sie hat nur Schutzfunktion.

An der Universität Köln liegen mehrere Baumringkalender vor, welche den Zeitraum vom Jahr 7500 bis zum Jahr 4000 vor unserer Zeitrechnung zu rund 85 Prozent abdecken. Die Eichen stammen aus Schleswig-Holstein sowie aus dem Rhein-, Weser- und Emsgebiet. Es handelt sich um Bäume, die in Flussauen standen und eines Tages ins Wasser stürzten. Dort wurden sie unterm Geröll begraben - und heute, beim Ausbaggern von Kiesgruben, kommt das Holz, wohlerhalten, wieder ans Tageslicht. An der Universität Hohenheim verfügt man außerdem über zwei in sich abgeschlossene Baumringkalender, konstruiert aus den Jahresringen von Eichen des Main- und Donaugebietes, deren erster vom 7. bis zum 4. vorchristlichen Jahrtausend reicht und deren zweiter weitere 600 Jahre umfaßt - bis 7800 vor unserer Zeitrechnung.

Außerdem arbeitet man dort mit Kiefernfunden, die bis 14000 Jahre alt sind. Eichen gab es damals nicht; die waren während der Eiszeit nördlich der Alpen verschwunden, nur Kiefernholz blieb aus jener erdgeschichtlichen Epoche erhalten. Erst knapp 10000 Jahre vor unserer Zeitrechnung drangen die Eichen wieder in das ehemals vereist Gebiet vor, unter anderem entlang der Donau und durch die Burgundische Pforte.

Diese Reihen konnten bisher noch nicht mit Sicherheit an den neuen westeuropäischen Kalender angeschlossen werden, doch stehen die Aussichten nicht schlecht. Mit einer Reihe, die von de Gegenwart bis ans 9. Jahrtausend vor Christus heranreicht, hätte man dann den mit Abstand längsten Baumringkalender der Welt. Wahrscheinlich lässt sich mit Hilfe von Kohlenstoff-14-Analysen an die Kiefernfunde anschließen - die würde den Kalender bis ins 12. Jahrtausend vor Christus verlängern. (Kohlenstoff-14 ist ein radioaktives Isotop, das sich auch in Pflanzen findet. Es zerfällt innerhalb von vielen tausend Jahren nach und nach mit der Präzision eines Chronometer und lässt so exakte Altersbestimmungen zu.) Der neue Baumringkalender für Westeuropa, der auf verschiedene frühere Ergebnisse anderer Forscher aufbaut, stützt sich auf Jahresring-Analysen am Holz von Stiel- und Traubeneichen. In der Bundesrepublik Deutschland hatte man bis 1983 nach und nach einen Kalender zusammengestellt, der 6000 Jahre in die Vergangenheit reicht. Er wies allerdings eine Lücke auf, betreffend das 6. Jahrhundert vor Christus, da man aus dieser Zeit keine Eichenholzfunde besaß. Der Kalender der Universität Belfast ging sogar bis ins Jahr 5300 vor Christus zurück, war aber wegen einer Unterbrechung im 1. Jahrhundert nach Christus nicht an die Gegenwart angeschlossen.

Beim Vergleich der irischen Jahresringmuster mit den für Nord- und Süddeutschland aufgestellten Sequenzen fand man eine ausgezeichnete Übereinstimmung, die wegen der klimatischen Unterschiede erstaunlich ist. So wurde es möglich, die verschiedenen, teils regionalen Muster zu einem gemeinsamen Kalender für Westeuropa zusammenzufügen. Bei dieser Gelegenheit entdeckte man auch einen Fehler in der deutschen Baumchronologie, der dazu geführt hatte, dass alles Holz aus der Zeit vor dem Jahr 546 vor Christus als zu jung eingestuft worden war. Jetzt weiß man: dieses Holz ist exakt 71 Jahre älter.

Der westeuropäische Kalender ist zwar lückenlos, aber nicht in allen Abschnitten gleich gut fundiert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Genauigkeit um so größer ist, je mehr zeitlich überlappende Funde für eine Epoche vorliegen, und für manche Epochen gibt es halt leider nur sehr wenige solcher Funde.

Der für alle westeuropäischen Länder gültige Baumringkalender eröffnet der Dendrochronologie neue Möglichkeiten, zumal man ihn mittlerweile an den amerikanischen Borstenkiefern-Kalender anschließen konnte. Man verfügt jetzt über ein Gerüst, das bei einzelnen Funden sehr genaue Zeitbestimmungen zulässt - so auch die absolute Datierung prähistorischer Pfahlbauten. Außerdem hofft man, verschiedene geologisch-ökologische Fragen, etwa die Entstehung von Mooren oder den früheren Verlauf von Flüssen, besser erklären zu können. Schließlich sind Baumringkalender auch für die Klimaforschung wichtig. So hat sich herausgestellt, dass der Gehalt an Kohlenstoff-14 in den Jahresringen deutlichen Schwankungen unterliegt, die mit der wechselnden Sonnenaktivität zusammenhängen.


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