Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Lianen und Epiphyten

Kapitel in: Lianen und Epiphyten

Die Mistel

MistelMistel

Dass die Mistel eine große Rolle in Brauchtum, Volksglauben und Volksmedizin spielt, ist kaum verwunderlich. Sie verhält sich ganz anders als andere Blütenpflanzen. Merkwürdig schon ihre Lebensweise hoch in den Wipfeln der Bäume, festgewachsen an Ästen, so dass mancher den kugeligen Strauch für ein Nest oder eine krankhafte Wucherung des Baumes hält. Besonders eigentümlich sieht die Mistel im Winter an Laubbäumen aus, wo sie sich als immergrüner Busch vom kahlen Geäst abhebt.Lianen und Epiphyten

Merkwürdig auch ihr Wuchs: buschig gedrungen, vielfach gabelig verästelt, mit gegenüberstehenden, ledrigen, olivgrünen, nach vorn verbreiterten länglichen Blättern. Sie verankert sich mit Wurzeln, die sie ins Holz des Baumes treibt. Wasser und Nährsalze bekommt sie, indem sie die Leitungsbahnen des Baumes anzapft. Weil sie sich aber mit Hilfe ihrer grünen Blätter und der Photosynthese den größten Teil ihrer organischen Nahrung selbst verschafft, behelligt sie den Wirtsbaum kaum; man bezeichnet sie als Halbschmarotzer.

Bei uns gibt es drei verschiedene Unterarten der Mistel. Die eine lebt nur auf Weißtannen und ist gebietsweise - so im Schwarzwald oder im Schwäbischen Wald - recht häufig. Die zweite gedeiht ausschließlich auf Kiefern (sie ist die seltenste), die dritte auf verschiedenen Laubbäumen - vor allem auf Weichholzarten wie den Pappeln. Merkwürdig schließlich auch, wie Misteln überhaupt auf Bäume kommen - dazu sind Vögel nötig! Zwischen den olivgrünen Gabelästen der Misteln sitzen im zeitigen Frühjahr kleine, unauffällige Blüten mit meist vierteiliger gelbgrüner Blütenhülle - männliche und weibliche auf getrennten Pflanzen. Aus den weiblichen Blüten entwickeln sich bis zum Winter glasig-weiße, beerenartige Früchte. Deren schleimiges Fleisch enthält einen, manchmal auch zwei Samen. Diese Beeren werden besonders von Misteldrosseln gefressen - Folge: die mit dem Kot ausgeschiedenen Samen können auf die Äste fallen und dort keimen. Dass gerade Vögel die Verbreitung der Mistel besorgen, mutet wie eine Ironie an. Denn aus den klebrigen Früchten stellte man früher - schon im alten Rom - den Vogelleim her, mit dem Vogelfänger ihre Ruten einstrichen. So erklärt sich der alte lateinische Spruch "Turdus ipse sibi cacat malum". Er bedeutet, vornehm übersetzt, "die Drossel bereitet sich selbst das Unheil".

Wie schon bei den Galliern, galt die Mistel auch bei den Germanen als Symbol. Wie die Edda berichtet, brachte der Wintergott Hödur den Lichtgott Baidur mit einem Mistelspeer ums Leben. Das germanische Julfest - Vorläufer des christlichen Weihnachtsfestes - war untrennbar mit der Mistel verbunden; alle Festsäle wurden mit ihr geschmückt. In Deutschland hat sich dieses Brauchtum nicht gehalten, wohl aber in England, wo die Mistel - wie bei uns das Tannengrün - zum Schmuck der Weihnachtsstube dient. Von dort hat sie sich in den letzten Jahrzehnten auch bei uns wieder als Weihnachtssymbol eingebürgert.

In der Volksmedizin galt die Mistel seit dem Mittelalter als Medizin gegen Schwindel und Epilepsie. Sie wirkt tatsächlich harntreibend und senkt den Blutdruck. In der Pharmazie wird sie heute unter anderem gegen nervöse Herzbeschwerden angewandt.


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