Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Geschichte des Waldes

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Nur winterharte Arten bleiben übrig

FarnwedelEin Farnwedel - wie er vor vielen Millionen Jahren wuchs.

Europa wurde ein Eisschrank. Am Ende war die Gletscherdecke in Nordeuropa beinahe drei Kilometer dick. Zuerst traf das veränderte Klima die tropischen Pflanzen, die nun keine Samen mehr zur Reife brachten und schließlich selbst an der Kälte zugrunde gingen; dann, als die Temperaturen immer tiefer sanken, gingen auch die härteren Bäume ein. Zwar konnte in den wärmeren Perioden - in den »Zwischeneiszeiten« - die Flora sich wieder erholen; aber jede Eiszeit verringerte die Zahl der Arten, bis schließlich nur besonders winterharte übrigblieben und solche, deren Samen es schafften, mit dem Wind oder im Vogelmagen das Mittelmeer zu überqueren und sich während der Zwischeneiszeiten neu anzusiedeln. Geschichte des Waldes

Vor etwa 20 000 Jahren zog das Eis sich allmählich zurück - vor 10000 Jahren endet die letzte Eiszeit. Die Wälder sind verschwunden; weithin breitet baumlose Tundra sich aus. Nur in einigen klimatisch besonders geschützten Landschaften - beispielsweise im oberen Rheintal - sind ein paar Bergkiefern, Birken und Weiden erhalten geblieben: der erste Grundstock für die neue Bewaldung Mitteleuropas. Von den Rändern der eisbedeckten Zonen wandern verdrängte Baumarten nach und nach wieder ein, mit ihnen die Tiere, zuletzt auch der Mensch. Die Kiefer verbreitet sich aus Mittelfrankreich nach Norden; aus dem Osten kommt die Fichte, aus dem Süden gesellen sich Tanne und Buche hinzu. Aber die Zahl der Arten ist, gemessen am Bestand vor allen Eiszeiten, gering; mit der subtropischen Vielfalt von einst sind diese Wälder nicht zu vergleichen.

Auch der amerikanische Kontinent hatte seine Eiszeiten, obschon diese die Artenvielfalt längst nicht so stark dezimierten. Dass dort selbst subtropische Pflanzen alle Kälteperioden zu überstehen vermochten, liegt an der Struktur der amerikanischen Gebirge: sie sind längsgefaltet, das heißt, die Falten verlaufen von Norden nach Süden. So konnten sich die Pflanzen leicht in wärmere Gebiete zurückziehen, aus denen sie später, als es wärmer wurde, ungehindert wieder nach Norden vordrangen. In Europa hingegen liegen die Berge quer. Die Folge ist klar: Verdrängte die Eiszeit eine winterempfindliche Art, so war es um diese endgültig geschehen - die Alpen standen der Rückkehr im Weg. So kommt es, dass unsere natürlichen Wälder heutzutage fast nur aus Eichen und Buchen, Kiefern und Fichten, Tannen, Birken und Weiden bestehen.

Wenige Jahrtausende nach der Eiszeit war die Eiche dominierend in unserer Landschaft; Ahorn, Ulme, Linde und Esche kamen hinzu. Als das Klima zunehmend ozeanisch wurde, begünstigte dies die Buche so stark, dass sie die Eiche in ihrer Häufigkeit ablöste. Zu Beginn unserer Zeitrechnung verlief längs durch das heutige Deutschland, annähernd von Norden nach Süden, eine deutliche Grenze zwischen vorwiegend Nadel- und vorwiegend Laubwald: Laubwald im Westen, Nadelwald im Osten. Exakt an dieser Grenze errichteten die Römer ihren Grenzwall, den Limes - ob mit Absicht genau dort, weiß heute niemand mehr.

Schaurig, das weiß man von Tacitus, haben die Römer den Wald in Germanien schon immer gefunden. Und höchstwahrscheinlich schreckte sie der Nadelwald noch ärger als der Laubwald. Tatsächlich müssen viele jener Wälder mit ihren riesigen, ebenso hoch wie dicht stehenden Bäumen, unter denen kein Gras und kaum ein Kraut wuchs, den Menschen unheimlich gewesen sein. Sogar viele pflanzenfressende Tiere waren längst aus jenen finsteren Nadelwäldern abgewandert, hinein in lichtere Laubwaldreviere.

Dies alles lässt sich leicht zurückverfolgen: Die Epoche, als jene unheimlichen Wälder entstanden, lag in der jüngeren Steinzeit, vor etwa 5000 Jahren. Es war die Zeit, als der Mensch in unseren Breiten gezwungen war, viele Waldgebiete zu verlassen, weil er als Jäger und Sammler darin nicht mehr genügend Nahrung fand. Um nicht zu verhungern, musste er sich zum Landwirt entwickeln und auf gerodeten Flächen Ackerbau treiben.

Und aus jener Zeit stammt die tiefverwurzelte Furcht des Menschen vor dem unheimlichen, schrecklichen Wald - eine Furcht, die ihn umtrieb bis weit ins Mittelalter hinein.


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