Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Ökologie und Ökonomie

Kapitel in: Ökologie und Ökonomie

Die Krise der forstlichen Ökonomie

Schneebruch
Latente Umweltschäden, die sich erst nach Jahren zeigen: geschädigte Bäume sind anfällig gegen Schneebruch.

Der weitaus größte Teil der volkswirtschaftlichen Leistungen des Waldes wird außermarktmäßig erbracht - in Form von externen Erträgen oder der Sicherung von ökologisch unentbehrlichen Waldfunktionen. Diese Leistungen schlagen sich im Produktionswert und Sozialprodukt fast überhaupt nicht nieder, so dass die volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes im Licht solcher Messziffern viel zu gering erscheint. Nicht das Gewicht der Forstwirtschaft innerhalb der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist es, was die Perspektive der Waldkrise so bedrohlich macht und die Bevölkerung so sehr alarmiert. Auch werden die Waldschäden nicht deshalb zum Symbol einer Krise der Ökonomie, weil einige hunderttausend Arbeitsplätze bedroht sind, sondern weil lebenswichtige Funktionen des Waldes nicht mehr erfüllt werden könnten, wenn die Waldschäden weiter in diesem Maß zunähmen. Ökölogie und Ökonomie

In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung kommt der Wald tatsächlich nicht gut weg. Aber in Wirklichkeit, und auch bei korrekter ökonomischer Würdigung, ist er in seiner volkswirtschaftlichen Bedeutung kaum zu überschätzen. Was ohne ihn aus unserem Land werden würde, wird dem Reisenden in Griechenland oder in verkarsteten italienischen Berglandschaften klar. Die Landwirtschaft würde in weiten Bereichen zum Erliegen kommen; der Fremdenverkehr müsste sich andere Reiseziele suchen; viele Orte in Tallagen, die heute durch Wälder geschützt werden, wären aufzugeben; Hochwasser, Lawinen und Staubstürme würden unseren Alltag zeichnen; der so wichtige Erholungswert der deutschen Landschaft wäre verloren.

Wer von uns will das eigentlich? Nicht nur unsere Kulturlandschaft, sondern unsere Kultur überhaupt ist tief vom Wald geprägt. Wir sind dabei, im Gefolge des wirtschaftlichen Wohlstands unser Land in eine armselige Kultursteppe zu verwandeln, in der wir uns dann innerlich nicht mehr wiederfinden würden. War das der Preis des Wachstums? Haben wir als Zauberlehrlinge wirtschaftliche Kräfte entfesselt, deren wir nun nicht mehr Herr werden können?

Hier liegt die eigentliche Krise der Ökonomie. Man muss sehen, dass der Mensch seit jeher einer übermächtigen Natur ausgesetzt war, deren er sich nur mit Mühe erwehren konnte. Hungersnöte waren an der Tagesordnung. Seuchen wie der Schwarze Tod, die Pest, und Typhus dezimierten immer wieder die Bevölkerung. Die Natur gab und nahm alles. Die allgemeine Not äußerte sich in einer Härte der Welt, die bis in die intimsten Familienbeziehungen hineinwirkte. So waren es die Alten und die Kinder, die in Zeiten einer Hungersnot zuerst sterben mussten, weil an den Erwachsenen das nackte Überleben eines Dorfes hing und die Nahrung für alle nicht mehr ausreichte. Die älteren Kinder fühlten sich durch ihre jüngeren Geschwister bedroht, weil jede weitere Geburt die schmale Lebensbasis der Familien gefährdete. Das Schicksal von Hansel und Gretel hat sich (ohne den glücklichen Ausgang des Märchens) zahllose Male bewahrheitet, es war für viele Kinder eine ganz reale Drohung.

Die übermächtige Natur hat unserer Spezies bis vor ganz kurzer Zeit durch Hungersnöte und Seuchen rigoros ihren Platz im Ökosystem zugewiesen, und der Mensch hat von seinem Selbstverständnis her alles darangesetzt, diese von ihm als unmenschlich empfundenen Fesseln zu sprengen.

Das ist gelungen. Aber erst jetzt bemerken wir, dass dieselbe Natur, die uns so unbarmherzig fesselte, uns zugleich auch das Überleben als Spezies auf dieser Erde ermöglicht hat. Nach wie vor nämlich ist die Natur viel stärker als wir. Wenn wir mit unserem Wirtschaften so fortfahren wie bisher, wird sie den Übergang zu einem neuen ökologischen Gleichgewicht vollziehen, in dem wir als Spezies dann allerdings nicht mehr vorkommen werden. Wissen wir denn, ob die Waldschäden nicht nur die Spitze des Eisberges sind? Was ist, wenn die übrige Vegetation folgt?

Und so müssen wir lernen, die Grenzen, welche die Ökologie uns setzt, selbst zu respektieren. Wir müssen unserer Wirtschaft einen ökologischen Rahmen geben, zunächst provisorisch und willkürlich gesetzt, dann aufgrund einer gewissenhaften Umweltforschung immer besser an die ökologischen Gesetzmäßigkeiten angepasst. Dieser Rahmen muss unantastbar sein, weil nur er unser Überleben möglich macht.

Dass die Wälder sterben, ist ein Alarmzeichen allerersten Ranges. So erlebt es auch die Bevölkerung. Wir haben den ökologischen Rahmen, den wir so lange nicht sehen wollten, auf eine äußerst gefährliche Weise verletzt und müssen alles tun, um diese Verletzung zu heilen, soweit das noch möglich ist. Nicht auf die Zahl der gefährdeten Arbeitsplätze, nicht auf den Anteil der Forst- und Holzwirtschaft am Sozialprodukt kommt es letztlich an, so wichtig dies alles ist. Am Schicksal des Waldes wird sich zeigen, ob wir unsere Wirtschaft mit der Ökologie versöhnen können; und nur, wenn das gelingt, haben auch wir Menschen noch eine Chance.


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