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Nun ist der Wald als Wirtschaftsunternehmen durch außerordentlich lange Produktionswege geprägt. Eine Generation kann den Ertrag ihrer eigenen Arbeit nicht selbst ernten, sondern muss von den Ergebnissen früherer Anstrengungen zehren. Das bedingt ein höheres Maß an Verantwortung späteren Generationen gegenüber als im normalen industriewirtschaftlichen Prozess sonst üblich. Jede Generation muss für ihre Nachfolger neues Kapital bilden, während sie, selbst vom Kapital ihrer Vorgänger lebt.
Unvernunft richtet im Wald Millionenschäden an.
Diese Verantwortung hat sich im Prinzip der Nachhaltigkeit niedergeschlagen: Die Forstgesetzgebung verpflichtet Waldbesitzer dazu, jeweils nur so viel abzuholzen, wie inzwischen nachgewachsen ist, damit der Bestand an Bäumen insgesamt erhalten bleibt.
Ökonomisch gesehen liegt in solchen gesetzlichen Auflagen das Eingeständnis, dass nach den gegenwärtigen Maßstäben der Wald als Kapitalanlage nicht konkurrenzfähig ist. Tatsächlich haben sich die Erträge des Waldes zunehmend aus dem privaten in den öffentlichen Sektor verlagert, sie wurden also extern: Ein immer größerer Teil der volkswirtschaftlichen Rendite des Waldes kommt der Allgemeinheit zugute, während die mit den Löhnen wachsenden Kosten voll zu Lasten der Forstwirtschaft gehen.
Holz als wichtiger und vielseitiger Rohstoff ist zwar weltweit und auf längere Sicht außerordentlich knapp und wird langfristig sicher noch knapper und damit wertvoller werden. Aber in betriebswirtschaftlicher Sicht und kurzfristig hilft das wenig.
So, wie es heute aussieht, gäbe es ohne gesetzliche Auflägen wie dem Prinzip der Nachhaltigkeit zweifellos die Gefahr einer gigantischen Kapitalflucht aus dem Wald als Anlageform. Im deutschen Wald steckt immerhin ein Kapital von rund 100 Milliarden Euro, das nicht oder kaum verzinst wird. Angesichts der mangelnden Rentabilität könnten die Eigentümer versucht sein, ihr Vermögen durch rigoroses Abholzen der Wälder zu liquidieren, da sie für so unwirtschaftliche Objekte ja auch keinen Käufer mehr finden würden. Das soll verhindert werden: Durch seine Auflage der Nachhaltigkeit sucht der Staat den Wald gewissermaßen mit Gewalt zu erhalten.
Das ist verständlich, nur hat das gegenwärtige Verfahren mit Marktwirtschaft nichts zu tun. Wer das Pech hat, sein Kapital in Form von Waldvermögen zu erhalten, muss den schleichenden Verfall seines Vermögens hilflos mit ansehen.
Es gibt Vorschläge, wie das im Wald gebundene Kapital gegenüber anderen Kapitalanlagen konkurrenzfähig gemacht werden könnte: etwa, indem man - um es im Wirtschaftsdeutsch auszudrücken - die externen Erträge internalisiert, also das Entgelt für den Weiterbetrieb ökologisch unentbehrlicher Bestände irgendwie bezahlt. Dann wäre die bürokratische Auflage des Prinzips der Nachhaltigkeit überflüssig.
Wenn man nun die Krise des Waldes betrachtet, so wird deutlich: es sind vor allem die latenten Schäden, denen bei der langfristigen Produktion im Forstbereich eine besondere Bedeutung zukommt. Solche Schäden haben zunächst die Form eines gestörten Zuwachsverhaltens bei Tannen sind teilweise schon seit Jahrzehnten Zuwachsrückgänge zu verzeichnen. Aber auch allgemein wird die Vitalität der Bäume geschwächt, was sich dann später in Sekundärschäden wie Windwurf, Schneebrüchen und Schädlingsbefall auswirkt.
So etwas kann der Geschädigte - der sich ja einer schleichenden Erosion seines im Waldbestand gebundene Betriebsvermögens ausgesetzt sieht - in einem Schadenersatzprozess vor Gericht natürlich niemals belegen. Wen wollte er auch im einzelnen belangen?
Und die Schäden sind erheblich. Vielleicht kann der dadurch bedingte Zwangseinschlag in den Wäldern in den nächsten Jahren noch in der Höhe des planmäßigen Normaleinschlags gehalten werden ; aber danach wird er über dieses Volumen weit hinausgehen müssen und zum Ende des Jahrzehnts beispielsweise in Bayern 20 oder 25 Prozent des ursprünglichen Holzvorrates der über sechzigjährigen Bestände ausmachen. Dann geht es an die Substanz. Da auf diese Weise die Altholzvorräte verlorengehen, wird praktisch ein zunehmender Anteil des Betriebsvermögens aufgelöst. Die Forstbetriebe werden also zunächst höhere Erlöse in der Kasse haben, später dann aber schwere Ertragseinbußen hinnehmen müssen.
Bei den volkswirtschaftlichen Konsequenzen der Waldschäden ist es naheliegend, sehr konkret auf die Rolle des Waldes als Wirtschaftsfaktor einzugehen. Nach Schätzungen des Bundesinnenministeriums dürften mehr als eine Million Menschen unmittelbar oder mittelbar vom Wald leben. Der Fremdenverkehr, weitgehend auf den Erholungswert des Waldes angewiesen, erwirtschaftet drei Prozent des Bruttosozialprodukts und beschäftigt etwa anderthalb Millionen Menschen, wobei manchmal ganze Landstriche und Regionen überwiegend vom Fremdenverkehr leben.