Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

« « Startseite | « Partner und Gegner Partner und Gegner


Jagd

Kapitel in: Jagd

Warum spielt die Katze mit der Maus?

Bei der ersten Kolonie könnte nun, um eine Möglichkeit von vielen weiterzuspinnen, die Vermehrung der Murmeltiere dazu führen, dass sie stärker vom Bandwurm befallen werden. Da kranke Tiere schwächer, langsamer und unaufmerksamer werden, könnte der Adler eines Tages herausfinden, dass sich Jagdflüge dorthin doch wieder lohnen. Und die zweite, die stark dezimierte Kolonie? Die wird vielleicht von abgewanderten Jungtieren einer anderen Kolonie urplötzlich wieder frisch besiedelt... Jagd

Schon an diesem stark vereinfachten Beispiel eines Jäger-Beute-Regelkreises lässt sich etwas Wichtiges erkennen: Jäger dürfen ihre Energie nicht nur beim Akt des Beutemachens einsetzen; sie müssen patroullieren, beobachten, lauern, versuchen und lernen - immer unter der Voraussetzung, dass nur ein Bruchteil der eingesetzten Energie tatsächlich zum Erfolg führt: zum Schlagen der Beute.

Ebendies ist auch der Grund, warum Jäger ihre Aktivitäten nicht abhängig machen können vom Hunger. Ein Pflanzenfresser, der auf der Wiese oder im Wald von Nahrung umgeben ist, benötigt viel Zeit, um das, was er gefressen hat, zu verwerten. Wenn er dann wieder hungrig ist, braucht er bloß aufzustehen und weiterzufressen.

Ein Jäger, der seine Aktivitäten erst entfalten würde, wenn ihn der Hunger plagt, wäre in der Erhaltung seiner Art weniger erfolgreich als einer, der bereits jagt, bevor er hungrig ist, und der noch jagt, nachdem er nicht mehr hungrig ist. So sehen wir bei fast allen jagenden Geschöpfen, dass sie ihr jagdliches Verhaltensrepertoire ständig erproben - sofern sie nicht gerade schlafen, sich fortpflanzen oder so vollgefressen sind, dass sie sich kaum mehr bewegen können.

Viele Menschen verstehen nicht, wieso die Hauskatze, die sie doch so gut füttern, dem Reiz einer laufenden Maus nicht widerstehen kann, sondern sie zu fangen versucht. Manchmal ist mit dem Fang der Reiz bereits erloschen: Die Katze wird die Maus nicht einmal totbeißen, geschweige denn fressen. Lässt sie aber die Maus los und die fängt wieder zu laufen an, so wird die Katze sie erneut jagen. Der Mensch schimpft dann seine Katze, dass sie mit der Maus »grausam spielt«.

Tatsächlich hat sich in der Entwicklung der meisten jagenden Arten aus der Jagd auch ein Lustgewinn entwickelt, der den Jäger belohnt, wenn er erfolgreich jagt - ganz unabhängig vom Lustgewinn beim Fressen.

Dass den für die Arterhaltung erforderlichen Funktionen ein Lustgewinn vorausgeht, findet man häufig. So lässt sich durchaus vorstellen, dass der Buchfink bei seinem Gesang (der für die Revierabgrenzung wichtig ist) oder beim Zweikampf mit einem Artgenossen eine Lust empfindet, die mit dem Zweck des Verhaltens in keinem Zusammenhang steht. Wir selbst kennen das, wenn es darum geht, Nachkommen zu zeugen: Der Lustgewinn aus unserem Balzverhalten und der Kopulation steht zumeist im Vordergrund.

Als Jäger unterscheidet sich der Mensch nicht grundsätzlich von seinen jagenden Mitgeschöpfen. Da er aber nicht nur jagt, sondern auch sammelt, sind bei ihm Jagdverhalten und hieraus erzielbarer Lustgewinn weniger klar ausgeprägt als bei rein jagenden Geschöpfen. Dennoch ist beides als Erbanlage deutlich erkennbar; und prinzipiell wird auch beim heutigen Menschen das Jagen vom erzielbaren Lustgewinn gesteuert.

Und - verblüffend genug - sogar die ererbten instinktiven Hemmungen sind noch wirksam. Nicht nur, dass unsere Jagdleidenschaft stärker auflodert, wenn ein auffällig gefärbtes Beutetier rasch flieht, als wenn ein tarnfarbiges sich drückt. Auch die Hemmung, im nahen Umkreis um die eigene Behausung zu jagen oder eine dem »Kindchen-Schema« entsprechende Beute zu machen, ist unverändert spürbar. Beides hat ganz offensichtlich die Funktion, den arteigenen Nachwuchs möglichst zu schonen.

Sein hochentwickeltes Gehirn ermöglicht dem Menschen zwar, seine Instinkte zu unterdrücken, und soziale Regeln wie Tabus oder Gesetze verlangen und fördern diese Suppressionsleistung ausdrücklich. Trotzdem hat sein Gehirn dem Menschen auch schon früh Wege gewiesen, seine jagdlichen Aktivitäten zu erweitern, weit über die Nahrungsbeschaffung durch Lauern, Pirschen, Anspringen und Hetzen hinaus. Sehr früh hat er begonnen, nicht nur das Fleisch, sondern auch Fell und Pelz der Beutetiere zu verwenden - ja sogar zum Ziel seines Jagens zu machen.

Der Gebrauch von Werkzeugen für die Jagd war ein entscheidender Schritt in der Entwicklung der Menschheit. Sie wäre ohne Fanggruben und Reusen, Speere und Äxte - von späteren Entwicklungen wie Schleudern, Pfeilen und Bogen gar nicht zu reden - kaum vorstellbar. Fast ebenso wichtig war die Verwendung von Hunden als Mit Jäger und Jagdgehilfen. Da Mensch und Hund in Rudeln jagten, konnten sie ihre unterschiedlichen Eigenschaften gemeinsam einsetzen: die Menschen mehr List, Taktik und Erfahrung, daneben bessere Augen und größeres Gesichtsfeld, die Hunde größere Schnelligkeit und Ausdauer, außerdem die bessere Nase und ein kräftiges Gebiss.

Solange der Mensch nur als Jäger und Sammler lebte, machte der Umstand, dass er Feuer zu entfachen, Werkzeuge zu gebrauchen und mit Hunden in Jagdgemeinschaft zu leben verstand, ihn zu einem äußerst erfolgreichen Jäger, welcher Wirbeltieren aller Art und Größe nachstellte - zu Lande, zu Wasser und in der Luft, von der Sardine bis zum Mammut. Er wusste und weiß diese Tiere nicht nur zu seiner Ernährung, sondern zu vielfältigen anderen Zwecken zu nutzen - ja, auch zum bloßen Lustgewinn, gegen den alle übrigen Ziele des Jagens verblassen.

Lustgewinn zu optimieren, ist ein menschliches Bemühen, das sich in allen Lebensbereichen beobachten lässt - auch bei der Jagd. Und immer kann erhöhter Lustgewinn sich in einer Steigerung der Qualität, aber auch der Quantität ausdrücken: Beim Essen reicht das Spektrum vom Verzehr einer einzigen delikaten Nachtigallenzunge bis zum Fressgelage, beim Liebesleben vom entsagungsvollen Minnedienst bis zur Orgie.

Weiter: Das Drum und Dran war die Hauptsache »

« Zurück: Die Lust am Waidwerk
Bei Amazon

© 1986 by PhiloPhax & Lauftext

Reise Rat - Neckarkiesel - SCHWARZWALD.NET
Bei Amazon