Der deutsche Wald kann mehr als rauschen

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Kräuter

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In Zwiebeln, Wurzelstöcken und Knollen sind Vorräte gespeichert

In Zwiebeln, Wurzelstöcken und Knollen sind Vorräte gespeichert

Das Ende der Vegetationsperiode ist vorbestimmt durch die tiefen Temperaturen im Spätjahr. Dann lichtet sich die Krautschicht mehr und mehr, bis zu Beginn des Winters die meisten Arten ihre oberirdischen Organe eingezogen haben.

Nicht alle Kräuter des Waldes haben denselben Lebensrhythmus, nicht alle sind zur gleichen Zeit zu sehen, nicht alle blühen gar gleichzeitig. Es gibt Frühblüher des Laubwaldes wie das Buschwindröschen: das treibt schon beizeiten im Frühling aus und bildet in kurzer Zeit Sprosse, Blätter und Blüten. Die meisten anderen Kräuter bauen erst allmählich ihren Vegetationskörper auf und bilden danach ihre Blüten.

Buschwindröschen
Die Weißen Blütensterne des Buschwindröschens bedecken im Vorfrühling große Flächen des Waldbodens oft wie ein Teppich

Das rasche Austreiben ist den Frühlingspflanzen möglich. Weil sie in ihren unterirdischen Organen Vorräte gespeichert haben: In Zwiebeln, Wurzelstöcken und Knollen haben sie bereits im Vorjahr genügend Stärke und andere organische Substanzen angesammelt, aber auch frühzeitig Knospen für die neuen Sprosse angelegt. Bei manchem Frühblüher bleiben die Blätter lange erhalten und tragen noch im Sommer zum Lebensunterhalt bei; bei vielen aber verschwinden bald nach der vollen Belaubung der Waldbäume alle oberirdischen Teile - nichts verrät mehr die Existenz dieser Pflanzen. Ihre Vorräte fürs nächste Jahr haben sie dann schon "unter Dach und Fach". Diese Vorräte ermöglichen ihnen schließlich wieder das zeitige Austreiben und fast gleichzeitige Blühen im Frühjahr. Welchen Vorteil haben die Frühblüher von dieser zeitigen Entwicklung? Sie erlaubt ihnen, den Lichtreichtum des Vorfrühlingswaldes zu nutzen und in kurzer Frist ihre Hauptentwicklung abzuschließen, bevor dann andere Kräuter mit ihnen konkurrieren können.

Im belaubten Wald und im Mischwald müssen die Pflanzen mit geringerer Lichtintensität zurechtkommen - ein klarer Nachteil. Aber manche Arten - wie Farne oder Sauerklee - können noch im Tiefschatten eines Nadelwaids überleben: Sie sind an die niedrige Lichtintensität, bei der viele andere Kräuter verkümmern würden, angepasst. Manchen genügt schon ein Hundertstel des vollen Tageslichts, um zu überleben. Sauerklee bringt bei einem Zehntel des vollen Tageslichts den höchsten Ertrag. Aber nur wenige Arten kommen mit solchen Bedingungen zurecht. Das erklärt zum Teil - auch die Bodenbeschaffenheit spielt eine Rolle -, weshalb wir in dunklen Wäldern nur wenige Kräuter finden, oft nur in schwächlichen Exemplaren.

Mitunter begegnen wir, besonders in dunklen Nadelwäldern, bleichen Blumen - vor allem den hochgereckten Sprossen des Fichtenspargels. Oft ist er die einzige Blume weit und breit - eine der wenigen Blütenpflanzen, die ihr Leben auch ohne Sonnenlicht fristen können und kein oder nur wenig Blattgrün besitzen. Der Fichtenspargel lebt mit Pilzen zusammen, deren Fadengeflecht in seine Wurzeln eindringt und ihn so von den Abbauprodukten mitprofitieren lässt, die der Pilz durch die Zersetzung von totem organischen Material gewinnt. Auch grüne Pflanzen auf nährstoffarmen Waldböden bilden oft eine Gesellschaft mit Wurzelpilzen; sie decken aber ihren Stoffbedarf doch mehr oder weniger durch Photosynthese. Manche schmarotzen mit ihren Wurzeln auf den Wurzeln anderer Blütenpflanzen. Entsteht durch Windwurf eine Lichtung im Wald oder wird ein Waldstück abgeholzt, so stellt sich auf der Freifläche in kurzer Zeit eine üppige Vegetation von allerlei Arten ein, die im anschließenden Hochwald gar nicht oder nur spärlich, vielleicht auch in schwächlichen Exemplaren auftreten. Da erscheinen Weidenröschen, die im Sommer den Kahlschlag rosarot aufflammen lassen, Johanniskraut, Fuchskreuzkraut, Tollkirsche, Hohlzahn, Disteln, Wasserdost und viele andere. Im westlichen Deutschland gesellt sich auf sauren Silikatböden oft auch noch der prächtige Rote Fingerhut hinzu. Mehr und mehr machen sich dann im Lauf der Zeit Sträucher bemerkbar: Wolliger Schneeball auf Kalkböden, Roter Holunder und Ginster auf Silikatböden. Pflanzen, die im Hochwald nur spärlich Blüten und Früchte ansetzen, fruchten hier üppig. Himbeeren, Erdbeeren, Heidelbeeren geben reiche Ernte. Der Tisch für Schmetterlinge, Käfer, Fliegen, Kleinsäuger und Vögel ist auf solchen Flächen opulent gedeckt.

Es ist nicht nur die Lichtfülle, die diese überreiche Kräuterflora aufkommen lässt; auch zwei andere Faktoren spielen eine große Rolle. Da ist einmal die mit der hohen Sonneneinstrahlung einhergehende Erwärmung des Bodens, welche die Abbauvorgänge beschleunigt, die Stickstoffvorräte mobilisiert und für die Pflanzen verfügbar macht. Zum andern sind die Wasserverhältnisse, weil ja die Bäume nun nichts mehr wegschlucken, sehr günstig. Der Wasservorrat kann durch die Kräuter zunächst gar nicht erschöpft werden. So kommt es, dass sich auch Arten feuchter Standorte einfinden. Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen eine ganze Reihe von diesen - zum Teil sehr schön blühenden - Waldkräutern vor.

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